Die Dr. Oetker Story | Das goldene Pulver
Shownotes
Folge 1/4: Dr. Oetker ist eine deutsche Institution und aus den Regalen der Supermärkte nicht wegzudenken. Doch alles beginnt in einer kleinen Bielefelder Apotheke. Hier tüftelt August Oetker zunächst am perfekten Backpulver. Er erschafft einen der ersten deutschen Markenartikel und wird in Rekordzeit zum Millionär. Doch Oetker will mehr: einen Platz in der feinen Gesellschaft, die Anerkennung seiner Angestellten und vor allem – eine Familiendynastie. So sehr ihm das Glück zunächst gewogen ist, so herzlos wird ihm das Schicksal mitspielen.
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Transkript anzeigen
00:00:01: Jörg.
00:00:08: Bielefeld.
00:00:11: In seiner Apotheke füllt Dr.
00:00:13: August Ötger sein inzwischen schon stattbekanntes Backpulver in Dosen ab.
00:00:18: Eine seiner Stammkundenen kommt zur Tür herein.
00:00:23: Genedigste, welch angenehme Überraschung.
00:00:25: Dr.
00:00:25: Ötger, guten Tag.
00:00:27: Wir haben außerplanmäßig Besuch bekommen.
00:00:30: Ich muss heute noch einen Kuchen backen.
00:00:33: Hätten Sie wohl noch etwas Backpulver für mich?
00:00:35: Oh, verstehe.
00:00:36: Haben Sie Ihre Dose mitgebracht?
00:00:38: Ach, du liebe Zeit.
00:00:40: Die habe ich doch tatsächlich zu Hause vergessen.
00:00:43: Können Sie mir eine neue geben?
00:00:45: Es tut mir leid.
00:00:46: Ich habe ein paar Bestellungen.
00:00:47: Alle Dosen sind verplant.
00:00:49: Wie viel brauchen Sie denn?
00:00:51: Eigentlich brauche ich keine ganze Dose mit zweihundertfünfzig Gramm.
00:00:55: Ich brauche nur genug für Einpfund Mehl.
00:00:59: Dann reicht ja eine Verschlusskappe der Dose.
00:01:01: Das sind genau zwanzig Gramm.
00:01:03: Aber wo fülle ich Ihnen das denn nur rein?
00:01:08: Ich kann Ihnen das gern einfach in dieses Kuvert füllen, wenn es Sie nicht stört.
00:01:13: Aber nein, ganz im Gegenteil.
00:01:15: Dann müsste ich das jetzt natürlich nochmal ausrechnen.
00:01:18: Zweihundertfünfzig Gramm und dann zwanzig sind ...
00:01:24: Wissen Sie was?
00:01:25: Ich
00:01:26: gebe Ihnen einfach einen Groschen.
00:01:27: Aber zehn Pfennige sind wahrscheinlich zu viel, wenn ich das ... Moment, zweieinfünfzig durch zwanzig.
00:01:35: Eine weitere Kundin betritt das Geschäft.
00:01:37: Interessiert beobachtet sie, wie das kleine Päckchen Backpulver für zehn Pfennige über die Ladentheke geht.
00:01:43: Pappalapap, zehn Pfennige für eine Portion.
00:01:46: Den Rest dürfen Sie behalten.
00:01:48: Danke vielmals.
00:01:50: Auf Wiedersehen.
00:01:51: Danke für Ihren Einkauf.
00:01:55: Der Apotheker verabschiedet seine Stammkunden und wendet sich der anderen Frau zu.
00:02:01: Und was kann ich für Sie heute tun?
00:02:02: Fußcreme, Warzentinktur, Kokain?
00:02:06: Haben Sie gerade eine kleine Portion Backpulver statt einer ganzen Dose verkauft?
00:02:11: Ja, aber das war nur aus der Not.
00:02:14: Das ist ja eine famose Idee, viel leichter zu tragen und man muss nicht gleich so viel Geld ausgeben.
00:02:20: Ich möchte das auch.
00:02:22: Oh, also, aber ich müsste den Preis noch genau ausgeben.
00:02:25: Zehn Pfennige waren das eben, richtig?
00:02:28: Richtig.
00:02:28: Füllen Sie mir ein Tütchen ab?
00:02:31: Aber ach, was soll's?
00:02:33: Mit dem größten Vergnügen.
00:02:36: Dr.
00:02:37: August Ötger nimmt einen weiteren Briefumschlag aus der Schublade und lässt eine zwanzig Gramm-Portion Backpulver hineinrieseln.
00:02:45: Im Kopf rechnet er nun eine andere Gleichung durch.
00:02:48: Wie viel mehr Geld kann er verdienen, wenn er das Backpulver nur noch in kleinen Tütchen verkauft?
00:02:57: Wer promovierte Botaniker und Apotheker Dr.
00:03:00: August Ötger verkauft seit, in Bielefeld, BAK-Pulver.
00:03:06: Auch wenn er BAK-Pulver nicht erfunden hat, so hat er doch jahrelang an der richtigen Mischung getüftelt.
00:03:11: Er will seiner Kundschaft eine Geling-Garantie geben.
00:03:16: Als er endlich die beste Zusammensetzung aus Natron, Weinstein und Stärke gefunden hat, gibt er ihr einen eigenen Namen.
00:03:23: Bakin.
00:03:25: Es ist eines der ersten deutschen Markenprodukte.
00:03:29: Mit dem Erfolg seines BAK-Pulvers beginnt ein Siegeszug, der in der deutschen Wirtschaftsgeschichte einmalig ist.
00:03:36: So schnell, wie das Unternehmen Dr.
00:03:38: Ötger in der scheinbar unauffaltsamen Hochkonjunktur des ausgehenden XIX.
00:03:43: Jahrhunderts gedeiht, wächst auch der Ehrgeiz in Dr.
00:03:47: August Ötger.
00:03:50: Doch der Erfolg fordert seinen Preis.
00:03:53: Persönliche Tragödien, zwei Weltkriege und der Streit unter seinen Nachfahren werden das Unternehmen mehrfach existenziell bedrohen.
00:04:14: Ich bin Marc-Wenpoch und das ist Imperium, die Dr.
00:04:19: Ötger Story von Studio J. Dr.
00:04:37: Ötger ist aus den deutschen Haushalten nicht mehr wegzudenken.
00:04:40: Die Marke steht für Backpulver, Pudding und Fertiggerichte.
00:04:45: Hinter dem Namen Ötger verbirgt sich inzwischen sogar der europäische Marktführer bei Tiefkühlpizza.
00:04:52: Es ist heute ein schier undurchschaubares Firmengeflecht.
00:04:55: Biermarken, Sektkellereien und Hotels gehören dazu.
00:05:00: Zeitweise ist Ötgar sogar im Finanzwesen und der internationalen Frachtschifffahrt eine absolut ernstzunehmende Größe.
00:05:08: Begonnen hat alles in einer kleinen Bielefelder Apotheke.
00:05:12: Heute beschäftigt die Dr.
00:05:14: Ötgar-Gruppe weltweit fast dreißigtausend Mitarbeitende und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über sieben Milliarden Euro.
00:05:22: Mit Geschick, Glück und Opportunismus.
00:05:25: hat Dr.
00:05:26: Ötger in über hundertdreißig Jahren Unternehmensgeschichte viele Hürden genommen.
00:05:31: Doch Erbstreitigkeiten, politische Wirrungen und kriminelle Erpressungen drohen der Heldengeschichte immer wieder ein Ende zu bereiten.
00:05:41: Das ist Folge eins von vier.
00:05:43: Das goldene Pulver.
00:05:53: Bielefeld, eighteenhundertdreiundneinzig.
00:05:56: Im Hinterzimmer der Apotheke füllt Lina Ötger die kleinen Mengen Backpulver in Tütchen ab.
00:06:02: Er schöpft, schüttelt sie ihre Arme aus, als ihr Mann August aus dem Verkaufsraum nach hinten kommt.
00:06:09: August?
00:06:10: Sollte heute nicht die Mischmaschine kommen?
00:06:13: Lina, ich fürchte, sie wird erst nach dem Mittagessen hier sein.
00:06:16: Wenn ich die ganze Zeit hier abfülle, wann soll ich dann kochen?
00:06:20: Sag mir bitte noch einmal, was die Maschine kann.
00:06:23: Die Maschine ist groß genug für fünfzig Kilogramm Zutaten.
00:06:26: Zauberhaft!
00:06:28: Sie muss aber trotzdem von Hand betrieben werden.
00:06:30: Sie ist nicht vollautomatisch.
00:06:32: Das ist mir einerlei.
00:06:33: Hauptsache, es wird einfacher als jetzt.
00:06:37: Lina Utger nimmt sich einen neuen Stapel Tütchen zum Befüllen und schaut sie sich genau an.
00:06:43: Das war wirklich eine gute Idee, August.
00:06:46: Auf die Tütchen gleich die Kuchenrezepte zu drucken.
00:06:49: Googlehupf und Sandtorte.
00:06:50: Die Klassiker.
00:06:52: Sehr gut.
00:06:53: Das ist der erste Anfang, Lina.
00:06:55: Ich werde Annonsen mit Rezepten in der Bielefelder Zeitung scheiten.
00:06:58: Ach, was sage ich in allen Zeitungen im Umkreis.
00:07:01: So wird die Kundschaft erfahren, was man alles mit unseren Produkten machen kann.
00:07:05: Ist das nicht furchtbar teuer?
00:07:07: Wir müssen doch noch den Kredit für die Laborausstattung abzahlen, August.
00:07:11: Der gesamte Allös von unserem Backpulver geht direkt in die Werbung.
00:07:15: Ich will wachsen und zwar schnell.
00:07:17: Weißt du eigentlich, warum die Leute uns vertrauen?
00:07:20: Sie denken durch dein Doktortitel, dass du ein echter Arzt bist und nicht ein Doktor der Botanik.
00:07:26: Genau.
00:07:27: Aber das ist egal.
00:07:28: Doktor ist Doktor.
00:07:30: Unser Backpulver wirkt in den kleinen Tütchen wie ein wissenschaftliches Produkt.
00:07:36: Eine Lieferung für Dr.
00:07:38: August Ötger.
00:07:39: Vorsicht, groß und schwer.
00:07:42: Lina Ötger hört auf, die Tütchen abzufüllen und wüscht sich die Hände an ihrer Schürze ab.
00:07:48: Wenn du weiter so viel Werbung machst, müssen wir noch mehr produzieren.
00:07:51: Ich glaube, du kannst sofort eine zweite Apfelmaschine bestellen.
00:07:55: Und wenn ich mich so umsehe, wird es dann ziemlich eng hier im Hinterzimmer.
00:08:03: Die Zeiten stehen günstig für Visionäre wie August Ötger.
00:08:07: In der Gründerzeit nach Achtzehnhundertsiebzig erlebt der junge deutsche Nationalstaat unter Kaiser Wilhelm einen unglaublichen wirtschaftlichen Aufschwung.
00:08:16: Überall werden Unternehmen gegründet.
00:08:19: August Ötgers Onkel Louis betreibt eine erfolgreiche Marzipanfabrik bei Hamburg.
00:08:25: Sein Onkel Albert Eine große Seidenweberei im Rheinland.
00:08:29: Umgeben vom Unternehmergeist wächst August in guten Verhältnissen auf.
00:08:34: Er ist begabt, geht auf ein Gymnasium und macht zunächst eine Apothekerlehre.
00:08:40: Um Berufserfahrung zu erlangen, arbeitet er unter anderem in einer Apotheke in Hanau.
00:08:45: Hier lernt er seine zukünftige Frau Lina kennen, bevor er Naturwissenschaften studiert und in Botanik promoviert.
00:08:53: August Ötger und Lina heiraten, und bekommen einen Sohn, den kleinen Rudolf.
00:09:00: Zwei Jahre später kauft August Ötger mit Hilfe einer Hypothek und dem Geld seiner angeheirateten Verwandtschaft eine Apotheke in Bielefeld.
00:09:13: Statt der üblichen Apothekermischungen wie Tincturen, Pillen, Pudern und Essenzen, wird Dr.
00:09:19: Ötgers Bakin sein großer Erfolg.
00:09:22: Schon bald ist die Nachfrage so groß, Das Ötger ist nicht mehr nur in seiner Apotheke verkauft.
00:09:29: Ab Eightzehnhundertneunzig beliefert er per Post Großhändler in umliegenden Städten wie Osnabrück und Detmold.
00:09:36: Kurz darauf verschickt er das Pulver kistenweise mit der Bahn bis nach Münster.
00:09:41: Ötger muss feste Mitarbeiter einstellen, die bis zu dreißig Postpakete und zwölf Kisten Backpulver täglich packen und verschicken.
00:09:50: Eine Million Päckchen verkauft er Mitte der Eightzehnhundertneunziger pro Jahr.
00:09:55: Eines nagt jedoch an Dr.
00:09:57: Ötger.
00:09:58: Er hat Backpulver zwar verbessert, aber er hat es nicht erfunden.
00:10:03: Achtzehnhundertvierneunzig gelingt ihm dann endlich eine eigene Kreation.
00:10:08: August Ötger erfindet Puddingpulver.
00:10:11: Es ist ein Meilenstein der Lebensmittelindustrie und legt zusammen mit Bakin den Grundstein für das Ötger-Imperium.
00:10:19: Schnell kommen Produkte hinzu, die das Sortiment ergänzen.
00:10:23: Ein feiner Zucker mit synthetischer Vanille, eine Einkochhilfe für Mammeladen und rote Grütze zum Anrühren.
00:10:30: Sie alle entstehen in Ötgers kleine Apotheke.
00:10:34: Die Produkte erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.
00:10:37: Und Ötger hat noch viel mehr Ideen.
00:10:49: Bielefeldt, Eighthundetfünfundneunzig.
00:10:53: Im Hinterzimmer seiner Apotheke winkt August Ötger eine junge Dame mit Schreibmaschine im Gepäckereien.
00:10:59: Sie soll ihm heute helfen, einige revolutionäre Einfälle auf Papier zu bringen.
00:11:04: Vielen Dank, Frau Lein.
00:11:06: Toll, dass es so großfristig geklappt hat.
00:11:08: Sehr gern.
00:11:09: Eine schöne Apotheke ist das.
00:11:11: Wird hier das Bakin hergestellt?
00:11:14: Noch ja.
00:11:15: Aber wenn es so weitergeht, werden wir uns wohl eine kleine Halle und mehr Maschinen zulegen müssen.
00:11:21: Ich selbst nutze Bakin auch sehr häufig zu Hause.
00:11:24: Das freut mich zu hören.
00:11:26: Nutzen Sie auch die Rezeptvorschläge auf dem Tütchen?
00:11:28: Das tue ich.
00:11:30: Deshalb bin ich so gespannt auf unser heutiges Vorhaben.
00:11:35: August Ötger lässt sich in seinen Bürostuhl sinken und dreht sich hin und her.
00:11:40: Dieses Buch bringt den deutschen Hausfrauen Kochen und Backen bei.
00:11:44: Ja, aber es ist auch noch viel mehr.
00:11:46: Es geht darum, die Zutaten zu verstehen, den gesundheitlichen Effekt zu begreifen.
00:11:52: Das sehe ich als meine Aufgabe.
00:11:53: Schließlich bin ich auch immer noch Apotheker.
00:11:57: Und es ist natürlich eine gute Gelegenheit, um auf unsere anderen Produkte zu verweisen.
00:12:01: Es ist nicht einfach nur ein Kochbuch.
00:12:03: Ach, sondern?
00:12:05: Nun, ich nenne es die Grundlehren der Kochkunst.
00:12:09: Wir vermitteln viel mehr als nur Rezepte.
00:12:12: Welche Speisen sind schwer verdaulich?
00:12:14: Gleich ein Ei dem anderen.
00:12:16: Wie konserviere ich Fleisch?
00:12:18: Tippen Sie gerne schon mit.
00:12:20: Wir brauchen Kapitel für Hülsenfrüchte, Kartoffeln und Chili.
00:12:25: Aber auch zu Feuer, Verdauung, und Entfernung von Flecken.
00:12:30: Du liebe Zeit, das wird aber ein ganz schöner Welter.
00:12:34: Eben nicht.
00:12:35: Kurze Kapitel, einfache Sprache, leicht zu merken, das ist das Geheimnis.
00:12:40: Und da, wo es geht, immer die Ötgerprodukte erwähnen.
00:12:44: Keine Waren der Konkurrenz.
00:12:46: Ich will, dass das Buch ein aufklärendes Standardwerk wird.
00:12:50: Tippen Sie los.
00:12:51: Die Törungssucht mancher Männer hat häufig ihre Ursache in einem schlecht Geführten Haushalten.
00:13:02: Was ist los?
00:13:03: Warum hören Sie auf zu tippen?
00:13:05: Nun ja, das ist ja schon eine ziemlich steile These.
00:13:09: Aber gut, verzeihen Sie die Unterbrechung.
00:13:12: Wie viel soll das Buch denn kosten?
00:13:14: Gar nichts.
00:13:15: Ich werde es verschenken.
00:13:22: Ötger verschenkt hunderttausende Bücher innerhalb weniger Jahre.
00:13:26: Die kostenlosen Werbematerialien sind ein absoluter Erfolg und sorgen für steigende Umsätze.
00:13:33: August Ötger verkauft Achtzehntundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund.
00:14:00: bieten er und sein Team in der Region Kochkurse an und präsentieren die Produkte in Vorführküchen.
00:14:06: Dazu schaltet Dr.
00:14:07: Ötger anzeigen in den beliebtesten Zeitschriften im Kaiserreich, darunter die Gartenlaube und Daheim.
00:14:16: Kurz vor der Jahrhundertwende lässt er ein eigenes Logo-Design, das es heute noch gibt, den hellen Kopf.
00:14:22: Doch trotz seines Erfolgs wird Ötger nicht von allen gleichermaßen gefeiert.
00:14:27: Die biele Felder Textilindustrie belächelt ihn milde und versportet seine Artikel als Tütenkram.
00:14:35: Als, die Bauarbeiten für die erste Dr.
00:14:39: Ötger-Fabrik beginnen, sind sie sich sicher, damit wird er sich ruinieren.
00:15:00: Bielefeld im Mai.
00:15:03: August Ötger, seine Familie und einige Angestellte marschieren feierlichen Schrittes die Lutherstraße entlang, demonstrativ vorbei an den Gebäuden der Bielefelder Textilindustrie.
00:15:15: Sie winken den Schaulustigen.
00:15:17: Heute wird hier die erste Dr.
00:15:19: Ötger-Fabrik eröffnet.
00:15:21: August zwingt seinem jüngeren Bruder Eduard zu.
00:15:25: Schau, Eduard, wenn du dein Chemie-Studium in Rostock abgeschlossen hast, kannst du auch hier arbeiten.
00:15:31: Ich mag Bielefeld.
00:15:32: Das würde mir sehr gefallen.
00:15:34: Wir richten ja ein Labor ein und du erfindest neue Produkte.
00:15:38: Dein Wort in Gottes Ohr.
00:15:40: Stolz winkt August Örtgar einigen der Menschen zu, die vor dem Fabrik-Tor stehen und mit bunten Wimpeln wedeln.
00:15:47: Ach, Edward, wir haben noch einen langen Weg vor uns.
00:15:51: Du und Lina, ihr habt schon so viel geschafft.
00:15:54: Und Sino, deine Arbeiterinnen und Arbeiter, sehen sehr zufriedenaus.
00:15:58: Eine mehrstöckige Fabrik auf fast zweitausend Quadratmeter mit vierzig Festangestellten.
00:16:04: Wie viel Päckchen produziert die Fabrik jetzt pro Tag?
00:16:07: Hunderttausend Donnerwetter.
00:16:10: Natürlich ja, es ist schön, dass die einfachen Leute meine Arbeit schätzen.
00:16:15: Wenn mich nur auch die gehobene Gesellschaft so ernst nehmen würde wie die Besitzer der Spinnerei vorwärts, ja, dann wäre ich wohl wahrlich am Ziel.
00:16:25: August Ökka weiß, dass Bielefelder bekannt dafür sind, mit Zugezogenen zu fremdeln.
00:16:31: Und als Niedersachse wird er immer ein Zugezogener bleiben.
00:16:35: Immerhin warten auf dem Hof der Fabrik einige Vertreter der Stadt, um mit ihnen anzustoßen.
00:16:47: Schon ein Jahr später wird die Fabrik zu klein.
00:17:10: sollen seine Produkte im ganzen Kaiserreich in jedem Geschäft vorhanden sein.
00:17:18: Ötgar stellt fünfzehn Vertreter ein, die durch das Land reisen und die Produkte bewerben.
00:17:24: Er lässt zehntausend hochwertige Probekartons mit dem Ötgar-Sortiment herstellen.
00:17:29: Er beginnt, eigenhändig Listen mit Namen von Köchenen, Hausfrauen und Erzieherinnen anzulegen, die seine Produkte empfehlen.
00:17:37: So Und mit Plakatwerbungen, Prospekten und über sixhunderttausend verschenkten Kochbüchern wird das Unternehmen schnell landesweit bekannt.
00:17:47: Selbst Kaiserin Augusta Victoria höchstpersönlich bittet um eine private Produktvorführung.
00:17:53: Wirtschaftlich geht es weiter steil bergauf.
00:17:56: August Ötgers Idee, ein Produktuniversum zu gestalten, das Konkurrenz in der Küche überflüssig macht, geht auf.
00:18:04: Die deutschen Hausfrauen vertrauen Dr.
00:18:06: Ötger.
00:18:07: Seine Produkte kommen mit einer Gelingengarantie.
00:18:11: Ein Päckchen Backpulver reicht für fünfhundert Gramm Mehl und funktioniert einfach immer.
00:18:16: Dass er die Produkte mit seinem akademischen Titel schmückt, verleiht ihm Seriosität.
00:18:22: Ötger sieht sich als Volkspädagoge, als jemand, der sich kümmert.
00:18:26: Auch in seiner Fabrik soll es den Angestellten an nichts fehlen.
00:18:37: Bielefeld.
00:18:39: Lina Ötger führt eine junge Frau und der Lokalzeitung durch die Fabrikale.
00:18:45: Es freut mich sehr, dass Sie über uns berichten.
00:18:48: Ich danke Ihnen, Frau Ötger.
00:18:50: Wissen Sie was?
00:18:51: Ich
00:18:51: habe das alles viel düsterer erwartet.
00:18:54: Das ist dem August besonders wichtig.
00:18:56: Jeder Arbeitsplatz ist gut ausgeleuchtet.
00:18:59: Wir wollen unseren Angestellten schließlich nicht die Augen verderben.
00:19:03: Ich muss auch sagen, dass ich es mir lauter vorgestellt habe.
00:19:07: Auch so ein Thema.
00:19:08: Wir haben vor Kurzem neue Maschinen bekommen, aber sie waren orenbetäubend laut.
00:19:14: Nun könnten sich die Angestellten zwar wachs in die Ohren stecken, aber dann hören sie sich ja auch gegenseitig nicht mehr.
00:19:20: Was haben sie dann getan?
00:19:22: August hat die Maschinen abbauen lassen und zurückgeschickt.
00:19:25: Wir haben jemanden gefunden, der leisere Motoren herstellt.
00:19:29: So eine Umsichtigkeit ist wirklich was ganz Besonderes.
00:19:33: Lina Ötger prüft einen Strauß in einer der vielen Vasen auf den Fensterbrettern.
00:19:38: und zieht eine Kornblume heraus, die den Kopf hängen lässt.
00:19:42: Die Frau von der Zeitung lächelt unglaublich.
00:19:45: Aber die haben sie doch jetzt sicher nur für mich aufgestellt.
00:19:49: Nein, wir haben am Wochenende den Rasen geschnitten.
00:19:52: Und es tat mir so leid, um die schönen Blumen, dass ich sie mitgebracht habe.
00:19:57: Wir haben auch immer zu viel Obst.
00:19:59: Das bringen wir dann mit in die Pausenräume.
00:20:02: Warum das alles?
00:20:03: Wir glauben, Menschen, die sich wohlfühlen, arbeiten besser.
00:20:07: Was bringen uns kränkliche, schlecht gelaunte Angestellte, die kaum hören und sehen?
00:20:13: Wenn ich könnte, würde ich noch viel mehr machen.
00:20:16: Was denn?
00:20:18: Lina Ötger bittet die Dame in einer Ecke der Halle, an einem Pausentischplatz zu nehmen.
00:20:23: Also, wir bieten ja unseren unfamilten Arbeiterinnen Haushaltskurse an, um sie auf Ehe- und Familienleben vorzubereiten.
00:20:32: Eine Hebamme gibt auch Kurse zur Säuglingspflege.
00:20:34: Wenn es nach mir ginge, würden wir auch eine Kinderkrippe einrichten und noch mehr Wohnungen für die Angestellten bauen.
00:20:42: Meinen Sie nicht, dass Sie die Angestellten verwöhnen?
00:20:45: Das ist nun wahrlich schon zu spät.
00:20:48: Die Angestellten bekommen ein Weihnachtsgeld, die Belegschaft macht regelmäßig Ausflüge und letztes Jahr war sehr gut für uns.
00:20:56: Da hat jede und jeder einen kleinen Anteil am Gewinn bekommen.
00:21:00: Fürchten Sie nicht, dass Ihnen die Angestellten bald auf der Nase herumtanzen?
00:21:05: Da machen wir uns keine Sorgen.
00:21:07: Ehrlich gesagt möchte August sogar anordnen, dass sie sich in einem Betriebsrat organisieren, um ihre Interessen zu vertreten.
00:21:15: Wirklich?
00:21:16: Das ist dem Besitzer persönlich eingefallen?
00:21:19: Oder ist das viel mehr ihr guter Einfluss?
00:21:22: Lina Ötger senkt den Blick und er rötet kurz.
00:21:26: Dann greift sie in die Obstschale und bietet der Frau von der Zeitung einen Apfel aus dem heimischen Garten an.
00:21:36: Dr.
00:21:37: Ötger kann es sich leisten, den Angestellten ein angenehmes Arbeitsumfeld zu bieten.
00:21:42: Mit seinen innovativen Werbeideen und strikter Qualitätssicherung ist aus ihm in wenigen Jahren ein Millionär geworden.
00:21:50: Außer für eine bequeme Villa in repräsentativer Lage neigt Ötger nicht dazu, Geld zu verbrassen.
00:21:57: Er ist zwar nicht geizig, aber sehr sparsam.
00:22:00: Viel wichtiger als Luxus ist August Ötger oderhin pristisch.
00:22:06: Mühevoll arbeitet er sich auch in den politischen Kreisen nach oben.
00:22:10: Fünfzehn Jahre, nachdem er zum ersten Mal Backpulver aus seiner kleinen Apotheke verkauft hat, arbeitet er inzwischen mit dem Kaiserlichen Gesundheitsamt zusammen und veröffentlicht Schriften über Sauberkeit, Ordnung und Hygiene.
00:22:23: Da er den begrenzten Nährwert von Süßspeisen kennt, bringt er neben immer neuen Kochbüchern auch Ratgeber wie eine Anleitung zum Gemüseanbau heraus.
00:22:33: Mit steigendem Umsatz und wachsender Beliebtheit benötigt das Unternehmen auch mehr Mitarbeitende.
00:22:39: Besonders in Führungspositionen greift August Ötgar gern auf Verwandte zurück.
00:22:45: Seine Vision ist es aus Doktor Ötgar, ein Familienunternehmen zu machen.
00:22:50: Schon four stellt er seinen Bruder Eduard ein, der gerade promoviert hat.
00:22:56: Der Naturwissenschaftler übernimmt das Ötgarische Labor, modernisiert die Technik in der Fabrik, und betreut den Bau eines neuen Gebäudeteils.
00:23:04: Nebenbei forscht ihr Angelé-Produkten.
00:23:08: Gelatine, Weingelé und Honigersatz finden bald einen Platz im Produktsortiment, das von mehr und mehr Händlern im ganzen deutschen Reich vertrieben wird.
00:23:22: Der Erfolg findet schnell nachahmer.
00:23:25: In Bielefeld, Hameln und Hamburg verkaufen Konkurrenzunternehmen inzwischen Produkte, deren Zusammensetzung von den Ötgeerzeugnissen abgekupfert ist.
00:23:34: Um sich also in der Lebensmittelbranche zu behaupten, muss Dr.
00:23:38: Ötgert zunehmend aggressiv auftreten.
00:23:41: Jahrzehntonzehn kauft Dr.
00:23:42: Ötgert zunächst das Unternehmen Dr.
00:23:44: Krato & Co.
00:23:46: für vierhunderttausend Mark auf, heute umgerechnet drei Komma fünf Millionen Euro.
00:23:52: Später kommen noch andere Firmen dazu.
00:23:54: Doch er stellt ihre Produktion nicht ein.
00:23:57: Die Konkurrenzfabriken produzieren weiter unter ihrem Namen.
00:24:00: Niemand, der die kopierten Produkte benutzt, weiß, dass er am Ende auch hier bei niemand anderem als Ötgar kauft.
00:24:08: Ötgar bewirbt seine Artikel jetzt nicht mehr nur in Büchern und Anonsen.
00:24:12: Bis Ninzehundert sechs verteilt das Unternehmen zehn Millionen Produktbroschüren und über fünfzig Millionen Prospekte an Hausfrauen.
00:24:20: Ninzehundert acht bekommt das Unternehmen schließlich eine eigene Reklameabteilung, die erste ihrer Art.
00:24:28: Dann kommt auch sein anderer Bruder Louis dazu, übernimmt die Leitung des Außendienstes, und steuert weitere Werbeideen bei.
00:24:36: August Ötger wird zum Pionier der Produktwerbung und scheut vor keiner revolutionären Idee zurück.
00:24:42: Auch wenn er manchmal nicht ganz genau weiß, worauf er sich einlässt.
00:24:54: Berlin.
00:24:57: In einem unscheinbaren Backsteinbau betritt August Ötger ein dunkles Filmstudio.
00:25:03: Nur am Ende der Halle ist ein kleiner Bereich gut beleuchtet.
00:25:07: August Ötger schleicht sich respektvoll an das Set.
00:25:11: Hey, ist das dunkel hier.
00:25:13: Herr Pinschever?
00:25:14: Julius Pinschever?
00:25:16: Das bin ich.
00:25:17: Wer fragt?
00:25:18: August Ötger.
00:25:19: Wir haben telefoniert.
00:25:21: Herr Ötger, Doktor Ötger, Verzeihung.
00:25:23: Wie schön, dass Sie es geschafft haben.
00:25:25: Danke für Ihren Auftrag.
00:25:27: Wir drehen Ihnen einen schönen Werbefilm.
00:25:30: Lina und ich, wir sehen uns so gerne Filmvorführungen im Lichtspielhaus an.
00:25:34: Und jetzt selbst einen kleinen Werbefilm zu beauftragen ist aufregend.
00:25:39: In Amerika und England ist das längst normal.
00:25:42: Aber Sie müssen mir einmal genau erklären, was hier vor sich geht.
00:25:47: Nun, das hier ist eine Kamera, die kennen Sie schon.
00:25:50: Scheinwerfer, Assistenten und hier die wahren Berühmtheiten.
00:25:55: August Ötger schaut auf einen langen Tisch voller Kuchen.
00:25:58: Was machen Sie mit dem ganzen Kuchen?
00:26:00: Nun, wir fangen mit einem Teig an, machen ein Foto.
00:26:04: Dann schieben wir den Teig in den Ofen, nach einer Minute holen wir ihn wieder heraus, machen ein Foto.
00:26:10: Dann schieben wir ihn wieder in den Ofen, warten eine Minute und machen wieder ein Foto.
00:26:15: Am Ende spielen wir alle Fotos sehr schnell nacheinander ab und es sieht aus, als würde der Kuchen vor unseren Augen wachsen.
00:26:23: Aber der Kuchen wird doch nichts, wenn man ihn ständig in den Ofen schiebt und wieder rausholt.
00:26:28: Der Regisseur deutet auf den langen Tisch voller Kuchen in verschiedensten Backstadien.
00:26:33: Deshalb backen wir immer und immer wieder.
00:26:36: Dank ihrer Gelingarantie verhält sich schließlich ein Napfkuchen wie der andere.
00:26:41: Das ist ein Vorteil, der mir so noch nicht klar war.
00:26:44: Und das Ganze funktioniert am Ende?
00:26:47: Ganz ehrlich, wir wissen es noch nicht.
00:26:50: Aber wir haben noch einige andere Ideen.
00:26:52: Vielleicht arbeiten wir mit einer Hydraulik, die den Kuchen durch die Form nach oben hebt.
00:26:57: Oder wir bauen eine feuerfeste Glasscheibe in den Ofen, durch die wir fotografieren können.
00:27:02: Mal schauen.
00:27:03: Und gut, solange sich das Ergebnis sehen lassen kann, machen Sie weiter.
00:27:08: Nicht, dass ich hier eine schöne Stange Geld in den Sand setze und mich lächerlich mache.
00:27:12: Herr Dr.
00:27:12: Ötger, ich garantiere Ihnen, Sie werden in die deutsche Geschichte eingehen.
00:27:17: Das ist der erste Werbefilm, der hierzulande gedreht wird.
00:27:21: August Ötger klopft dem Jungen Regisseur stolz auf die Schulter.
00:27:28: Der junge Regisseur wird recht behalten.
00:27:31: Der Film, der Napfkuchen, von Jahrzehnten, ist zwar weniger als eine Minute lang, doch er gilt als der erste deutsche Werbefilm und auch als der erste Animationsfilm der deutschen Filmmgeschichte.
00:27:43: In den beliebten Lichtspielhäusern wird er zwischen den Vorführungen von Stummfilmen gezeigt und steigert die Bekanntheit von Dr.
00:27:50: Ötger deutschlandweit.
00:27:52: Das Unternehmen wächst und wächst.
00:27:55: Zwischen Ninzehundert acht und Ninzehundert vierzehn steigt die Zahl der Angestellten von Vierund Vierzig auf Dreihundert Fünfzig.
00:28:02: Es verkauft das Unternehmen zum ersten Mal über hundert Millionen Päckchen seiner Erzeugnisse.
00:28:09: Für die Hälfte des Umsatzes sorgt das Backpulver Bakin.
00:28:14: Der Ehrgeiz und das unternehmerische Glück erfüllen August Ötger den Traum eines erfolgreichen Betriebes, den er an seinen mittlerweile volljährigen Sohn Rudolf weitergeben kann.
00:28:24: Er wünscht sich, in absehbarer Zeit mit ihm zusammen die Geschäfte im Unternehmen zu lenken.
00:28:30: Doch mit der Zeit verschärft sich die politische Situation in Europa und schon bald wird ihm das Schicksal einen Strich durch die Rechnung machen.
00:29:17: Denk doch an dein Chemiestudium in Berlin als Assistent bei einem Nobelpreisträger.
00:29:21: Das soll ja erst mal jemand nachmachen.
00:29:24: Ach, es ist doch schon sehr viel passiert.
00:29:26: Bei dir vielleicht.
00:29:27: Du hast wenigstens das Jurastudium.
00:29:29: Nun, das habe ich ja verfrüht abgebrochen.
00:29:32: Aber deine Lehre als Bankaufmann... Ich habe kaum als solche gearbeitet.
00:29:36: Denn Militärdienst warst du.
00:29:37: Krank geworden und freigestellt.
00:29:39: Und dann nach Berlin gezogen, wo wir uns wieder getroffen haben.
00:29:43: Du bist Doktor der Chemie.
00:29:45: Ich arbeite aktuell als Geflügelzüchter.
00:29:49: Die beiden gelangen an einen kleinen Wire und steigen von ihren Pferden ab.
00:29:54: Rudolf lässt einen flachen Stein über das Wasser hüpfen.
00:29:57: Ach, Richard, es macht mir schon alles sehr viel Eindruck, was mein Vater geschafft hat.
00:30:03: Rudolf, das gelingt ja auch.
00:30:04: Alle mögen dich.
00:30:06: Aber ob das reicht, das Unternehmen ist so groß und wächst immer weiter.
00:30:11: Unsere Produkte sind überall in Europa, in Teilen Afrikas.
00:30:14: Auch in Nordamerika gibt es sie.
00:30:16: Sogar in Asien.
00:30:17: Backpulver braucht man überall.
00:30:19: Wenn es nur das Bakin wäre, Pudding, Einweckhüfen, Eis-Creme-Pulver, mein Vater hört nicht auf, neue Produkte einzuführen.
00:30:28: Weißt du, was mich am meisten beeindruckt hat?
00:30:30: Dass er Götterspeiser erfunden hat.
00:30:32: Das war mein Onkel Eduard.
00:30:34: Aber ich werde es ihm sagen, er freut er sich.
00:30:36: Es wird alles gut, Rudolf.
00:30:37: Du schaffst das.
00:30:39: Und falls es dir zu viel wird, kannst du dich gerne immer auf meinem Geflügelhof verstecken.
00:30:43: Ich lasse dich nicht im Stich.
00:30:44: Niemals.
00:30:55: In den Gewerken des Unternehmens einzuarbeiten.
00:30:59: Auch wenn er sich noch nicht ganz aus dem aktiven Geschäft zurückziehen will.
00:31:03: Wirtschaftlich ist das Unternehmen Dr.
00:31:05: Ötgar auf seinem bisherigen Höhepunkt.
00:31:08: Über dreihundertfünfzig Angestellte und weitere Außendienstmitarbeitende arbeiten für den Lebensmittelhersteller.
00:31:15: Der Jahresumsatz hat sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt und liegt nun bei über sieben Millionen Mark.
00:31:21: Ötgar selbst ist multimillionär, mit einem Privatvermögen von über fünf Millionen Mark, was nach heutigen Maßstäben etwa hundertdreißig Millionen Euro entspricht.
00:31:31: Auch in der gehobenen Gesellschaft macht August Ötgar Fortschritte.
00:31:35: Er ist nun königlich preußischer Kommerzienrat.
00:31:39: Dafür hat er hart gearbeitet.
00:31:41: sich in Bielefeld mit sozialem und gesellschaftlichem Engagement profiliert und große Summen für gemeinnützige Zwecke, wie das Kaiser Wilhelm-Institut gespendet.
00:31:50: Außerdem fördert er lokale Kulturprojekte und treibt den Bau genossenschaftlicher Wohnungen für Arbeiterfamilien voran.
00:32:02: Im Sommer-Ninzenhundertürzein heiratet August-Örtgas Sohn Rudolf.
00:32:06: Doch Zeit zum Feiern hat die Familie nicht.
00:32:09: Einen Tag nach der Hochzeit beginnt die Mobilmachung Deutschlands im Ersten Weltkrieg.
00:32:15: Rudolf Ötger hilft noch ein halbes Jahr als Assistenz seines Vaters, dann wird er eingezogen.
00:32:21: Er kämpft in Frankreich.
00:32:22: Kurz nach seinem letzten Heimaturlaub, im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und im März, und Wirtschaftlich erlebt Dr.
00:32:44: Ötger in Krieg zunächst einen enormen Aufschwung.
00:32:47: Die Deutschen glauben an einen schnellen Sieg und sparen nicht.
00:32:50: Das Unternehmen bekommt Heeresaufträge, liefert Back- und Puddingpulver an die Front.
00:32:56: Ötger appelliert in seinen Werbekampagnen an den Patriotismus der deutschen Hausfrauen.
00:33:02: Kauft von jetzt an nur noch das deutsche Gustin statt des englischen Mondamin, lautet einer der Slogans.
00:33:09: Auf den Verpackungen prankt plötzlich die schwarz-weiß-rote Fahne.
00:33:13: Kurz vor Kriegsende, in den letzten Jahren, hat sich der Umsatz von Dr.
00:33:17: Ötger im Vergleich zum Kriegsbeginn noch einmal verdoppelt.
00:33:21: Doch August Ötger kann all das nicht mehr genießen.
00:33:25: Der Tod seines einzigen Sohnes, seines Erben und Stammhalters, hat ihm das Herz gebrochen.
00:33:31: Seit zwei Jahren lässt er sich kaum noch in der Öffentlichkeit sehen.
00:33:34: In den letzten Jahren erkrankte August Ötger schwer, und wird immer schwächer.
00:33:40: Er stirbt, anfangen aus dem Jahr.
00:33:43: wenige Tage nach seinem sechsunfünfzigsten Geburtstag.
00:33:53: Biele fällt im Januar.
00:33:56: Auf dem Johannes-Friedhof drängt sich eine große schwarz gekleidete Menschenmenge im leichten Schneeregen.
00:34:03: Lina Ötger umklammert verkrampft das mit spitzen gesondte Taschentuch in ihrer Hand.
00:34:08: So schwer es ihr fällt, sie versucht, erhobenen Blickes die Anwesenheit der Trauergäste zu würdigen, die zur Beerdigung ihres Mannes gekommen sind.
00:34:17: Darunter der ehemals beste Freund ihres Sohnes, Richard Kaselowski.
00:34:22: Lina hält die Hand ihrer Enkelin.
00:34:25: An ihrer Seite trägt Schwiegertochter Ida den anderen kleinen Enkel auf dem Arm.
00:34:30: Ida und sie sind nun Witwen.
00:34:33: Ida, mein Herz, soll ich dir den Kleinen abnehmen?
00:34:37: Lass nur, wenn es nicht mehr geht, gebe ich ihn dem Richard.
00:34:41: Richard und du, ihr seid ... Er hilft uns viel.
00:34:46: Er erinnert mich an den Rudolf.
00:34:48: Die beiden waren die besten Freunde, ein Herz und eine Seele.
00:34:53: Und dem Kleinen ist er fast ein Stiefvater.
00:34:56: Ida, ich werde bald eine Entscheidung treffen müssen.
00:35:00: Die Firma ist führungslos.
00:35:02: Dein erstgeborenes ist ein Mädel.
00:35:04: Dein Knabe ist noch ein Kindlein.
00:35:07: Was ist denn, wenn wir bis dahin den Richard?
00:35:10: Wir müssen das nicht hier besprechen.
00:35:13: Jetzt ist so gut wie jeder andere Zeitpunkt.
00:35:16: Die Firma wird in Schwierigkeiten kommen.
00:35:18: Der Krieg kann nicht mehr gewonnen werden.
00:35:21: Wir brauchen einen starken Mann an der Spitze, bis der kleine groß genug ist.
00:35:25: Und du denkst, dass der Richard?
00:35:27: Der Richard Kaselowski ist doch ein Unternehmerson.
00:35:31: Dem wurde das Unternehmertum also quasi in die Wiege gelegt.
00:35:35: Er ist im Kleinen eh schon fast ein Stiefvater, sagt es du.
00:35:39: Streichen wir das fast und geben dem Traum unserer Männer eine Zukunft.
00:35:45: Aus den Augenwinkeln sieht Lina Ötka wie ihre Schwiegertochter ihren kleinen Sohn absetzt und sich die Tränen trocknet.
00:35:52: Sie streichelt ihr die Schulter und nickt mit festem, zuversichtlichen Blick.
00:35:57: Und so lasst uns Abschied nehmen von einem Mann, der in dieser Stadt Großes geleistet hat.
00:36:04: Während der Priester die Trauerrede beginnt, schweift Linas Blick über den Friedhof hinweg.
00:36:10: Jenseit seiner Mauern, hinter den Bahnschienen, sieht sie die ötgersche Fabrik in der Lutherstraße.
00:36:18: Der erste Weltkrieg endet mit der Niederlage des deutschen Reiches und seiner Verbündeten.
00:36:30: Die Konjunktur bricht ein.
00:36:32: Auch für das Haus Ötger beginnen schwierige Zeiten.
00:36:35: Seit Jahren steht das Unternehmen in direkter Abhängigkeit zu einem seiner Zulieferer, dem Chemieunternehmen Goldenberg.
00:36:42: Trotz aller vorherigen Umsatzrekorde bringt der Konjunktureinbruch und der Verfall der Währung Dr.
00:36:48: Ötgar in eine ungewohnte Schieflage.
00:36:51: Das Unternehmen kann plötzlich seine Rechnungen nicht mehr bezahlen.
00:36:59: Wegen des fehlenden erwachsenen Erben wendet sich Lina Ötgar an Richard Kaselowski.
00:37:05: Dieser hat inzwischen Ida Ötgar, die Witwe seines besten Freundes, geheiratet und sein Einfluss bei Ötgar wächst.
00:37:12: Er ist ein resoluter Bankkaufmann, und an die Gepflogenheiten der Geschäftswelt gewöhnt.
00:37:18: Jetzt liegt alles an ihm, um im letzten Moment die Vision vom Familienunternehmen für die nächste Generation zu retten und eine feindliche Übernahme abzuwenden.
00:37:29: In der nächsten Folge wird Dr.
00:37:31: Ötgar unter den Folgen der Nachkriegsinflation leiden, bis ihr neuer Chef auf eine ausgekochte Idee kommt.
00:37:38: Gleichzeitig gelangt Hitler langsam an die Macht.
00:37:42: Das Familienunternehmen muss sich positionieren, um in Nazi-Deutschland nicht unter die Räder zu geraten.
00:37:48: Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer beginnt, das seine Schatten bis in die Gegenwart wirft.
00:37:59: Das war Folge eins von vier.
00:38:01: Von Imperium.
00:38:03: Die Dr.
00:38:03: Ötgar Story.
00:38:04: Von Studio J. Wenn du mehr über Dr.
00:38:08: Ötgar fahren möchtest, empfehlen wir dir das Buch Die Ötgars von Rüdiger Jungblut und das Buch August Ötgar von Bettina Jung.
00:38:16: Ein Hinweis zu den Dialogen, wie du gehört hast.
00:38:18: Wir wissen natürlich nicht genau, was gesprochen wurde.
00:38:21: Alle Dialoge basieren nach bestem Wissen auf unseren Recherchen.
00:38:26: Ich bin Marc-Wendt Poch.
00:38:27: Und ich bin Aline Staskowiak.
00:38:30: Für Studio J, Producerin, Helene Feldmayer und Alexander Hemsson.
00:38:36: Executive Producer, Janis Gebhardt.
00:38:39: Tonassistenz, Axinia Dorn.
00:38:42: Das Sounddesign hat Bibi von Ger gemacht.
00:38:45: Gemischt von Fabian Klinke.
00:38:57: Wenn ihr nach Imperium noch ein bisschen tiefer in die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge unserer Zeit eintauchen wollt, dann habe ich einen Podcast für euch, den ihr unbedingt kennen solltet.
00:39:06: Geld für die Welt.
00:39:08: Host Maurice Höfken, Ökonom, Autor und vom Handelsblatt nicht ohne Grund VWL Influencer genannt, bringt dort selbst die komplexesten Themen verständlich und klar auf den Punkt.
00:39:18: Er ordnet das politische Tagesgeschäft ein, analysiert Talkshows und Bundestagsreden, schonungslos, porontiert und immerfaktenbasiert.
00:39:25: Und er spricht regelmäßig mit hochkarätigen Gästen von Robert Habeck bis FDP-Chef Christian Dürr.
00:39:31: Geld für die Welt.
00:39:32: Ein Podcast, der hilft, Wirtschaft wirklich zu verstehen.
00:39:35: Überall, wo es Podcasts gibt.
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