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Die Dr. Oetker Story | Braune Sauce | 2

Shownotes

Folge 2/4: Der erste Weltkrieg ist Fluch und Segen für Dr. Oetker. Das Unternehmen erzielt zunächst Umsatzrekorde, doch dann fällt der einzige Erbe im Kampf. Wirtschaftskrisen, Inflation und das Erstarken der Nazis stellt die Familie vor enorme Herausforderungen. Sie navigiert diese Zeit mit unternehmerischem Geschick und skrupellosem Opportunismus. Dr. Oetker tritt in die nächste Phase seiner Geschichte ein und trifft Entscheidungen, die sie noch jahrzehntelang verfolgen werden.

Kontakt: imperium@studio-jot.de Folge IMPERIUM: https://www.instagram.com/imperium.podcast/

Quellen: Wenn du mehr über Dr. Oetker erfahren möchtest, empfehlen wir dir das Buch „Die Oetkers“ von Rüdiger Jungbluth und das Buch „Dr. Oetker und der Nationalsozialismus“ von Jürgen Finger, Sven Keller und Andreas Wirsching.

Transkript anzeigen

00:00:01: Ja.

00:00:07: Er war der beste Freund ihres verstorbenen Sohnes und hat kürzlich seine zurückgelassene Frau Ida geheiratet.

00:00:43: Lina Ötger kann seine Hilfe gut gebrauchen.

00:00:46: Er hat eine Lehre im Bankwesen abgeschlossen und das Unternehmen befindet sich in einer ungewohnt engen finanziellen Notlage.

00:00:53: Richard, ich erwarte jetzt alles von dir.

00:00:56: Du ziehst meinen Enkel den Firmenerben groß.

00:00:59: Du trägst Verantwortung für das Haus Ötgar und ich vertraue dir.

00:01:03: Ich möchte, dass du dabei hilfst, dass es für den Kleinen eines Tages etwas zu Erben gibt.

00:01:09: Geschäftsführer Behringer gibt mir aber bisher keine Einsicht in die Geschäftspücher.

00:01:13: Fritz Behringer führt die Geschäfte, weil mein Mann das vor seinem Tod so wollte.

00:01:18: Er hat ihn immer als seinen tüchtigsten Mitarbeiter bezeichnet.

00:01:21: Er ist Teilhaber.

00:01:23: Und er ist Teil dieser Familie.

00:01:25: Vielleicht hast du vergessen, dass er es war, der den Leichnam unseres Sohnes von der Front in Frankreich heimbrachte.

00:01:32: Aber er begeht einen Fehler nach dem anderen.

00:01:35: Er will unbedingt an der Produktion von Eiweißprodukten festhalten, obwohl die Lebensmittelaufsicht ihre Qualität bemängelt.

00:01:42: Schlechte Produkte schaden dem guten Namen von Dr.

00:01:45: Ötger.

00:01:45: Und außerdem... Stehen wir dank unserer Schulden kurz vor einer Übernahme durch unseren Zulieferer, die chemische Fabrik Goldenberg, von der wir den Weinstein zur Backpulver-Produktion beziehen.

00:01:55: Sie haben den Vorschlag gemacht, uns in einer Aktiengesellschaft umzuwandeln, an der sie selbst dann die größten Anteile halten.

00:02:01: Und Behringer unterstützt das.

00:02:03: Das verstehe ich einfach nicht.

00:02:06: Wir haben eine lange und gute Beziehung zu Goldenberg.

00:02:09: Unsere Firmen sind gegenseitig aneinander beteiligt.

00:02:13: Wir haben zwanzig Prozent der Aktien von Goldenberg?

00:02:16: Und Sie sind an unserem Gewinn beteiligt.

00:02:19: Wir hatten eine gute Beziehung, Lina.

00:02:21: Hatten.

00:02:22: Wir haben in den erfolgreichen Jahren riesige Abnahmemengen mit Ihnen vereinbart.

00:02:26: Und jetzt sitzen wir auf Ihren Rohstoffen.

00:02:29: Die Nachfrage nach unseren Produkten ist seit Kriegsende rapide eingebrochen.

00:02:33: Wir haben sechzig Millionen Mark Schulden.

00:02:36: Das weiß ich.

00:02:37: Ich hafte schließlich mit meinem Privatvermögen.

00:02:40: Ich sagte, Lina, irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht.

00:02:46: Lina Ötger dreht sich zum Fenster und schaut auf den Hof des Fabrikgeländes im trüben Novemberwetter.

00:02:52: Also gut.

00:02:53: Du bekommst Einblicke in die Bücher.

00:02:56: Ob Behringer das will oder nicht.

00:02:58: Du findest heraus, was für ein Interesse er an einer Aktiengesellschaft Ötger hat.

00:03:03: Und was bekomme ich dafür?

00:03:06: Dafür mache ich dich zum Teilhaber.

00:03:10: Haben wir eine Abmachung?

00:03:13: Verlass dich auf mich.

00:03:17: Lina Ötka geht mit ihrer Abmachung ein Risiko ein.

00:03:21: Doch ihre Entscheidung zahlt sich aus.

00:03:24: Richard Kaselowski entdeckt in den Geschäftsbüchern unlautere Praktiken des enttierenden Geschäftsführers Behringer.

00:03:30: Lina Ötka drängt diesen zum Rücktritt.

00:03:33: Drei Wochen später sind Richard Kaselowski und Louis Ötka, der Bruder des Unternehmensgründers, bereits die neuen Teilhaber neben Lina Ötka.

00:03:43: Der Streit von Goldenberg und Ötka endet mit einem Vergleich, und einen neuen Vertrag.

00:03:49: Dieser wird in Reichsmark ausgestellt, nicht in Dollar oder in Gold.

00:03:54: Schon ein Jahr nach Vertragsabschluss setzt in Deutschland, neunzehntundundzwanzig, eine Hyperinflation ein.

00:04:01: Ein Päckchen Backpulver kostet Millionen Mark.

00:04:04: Die Beträge, die Ötger für die Leistungen von Goldenberg zahlt, sind nun umgerechnet nur noch ein paar Pfennige.

00:04:11: Somit ist Dr.

00:04:11: Ötger zwar den Schuldenberg los und hat wieder eine bessere Position im Verhältnis zu Goldenberg, Doch die Hyperinflation setzt Ötger unter Druck.

00:04:21: Sie müssen Rohstoffe in Dollar zahlen, nehmen aber nur deutsche Mark ein, die sich quasi auf dem Weg zur Bank schon wieder drastisch entwertet.

00:04:29: Lange kann das Unternehmen dieses Ungleichgewicht nicht aushalten.

00:04:33: Und ein Ende ist nicht in Sicht.

00:04:49: Ich bin Marc-Ben-Puch und das ist Imperium, die Dr.

00:04:53: Ötger Story von Studio J. Dr.

00:05:12: Ötger ist innerhalb einer Generation von einer kleinen Apotheke zu einem der größten Lebensmittelunternehmen im deutschen Reich gewachsen.

00:05:20: Bereits in den letzten Jahren verkauft Dr.

00:05:23: Ötger jährlich dreihundert Millionen Päckchen ihrer Produkte, darunter Back- und Puddingpulver.

00:05:28: Die Familie hat es in fünfundzwanzig Jahren zu Millionen schweren Wohlstand geschafft.

00:05:33: Dank hoher Qualität und schlauer Werbestrategien hat sich die Marke Ötger auf dem deutschen Markt etabliert.

00:05:40: Die Kriegswirtschaft im Ersten Weltkrieg hat zu Rekordumsetzen geführt, doch danach bricht das Geschäft ein.

00:05:47: In diesen Jahren sterben außerdem zunächst der Firmen Erbe Rudolf Ötger und dann kurz vor Kriegsende der Firmen Gründer August Ötger.

00:05:56: Mit Richard Kasselowski an der Unternehmensspitze beginnt eine neue Ära.

00:06:01: Er bekommt vom Familienoberhaupt Lina Ötger einen klaren Auftrag, das Geschäft in die Zukunft zu führen.

00:06:08: Bis der Enkel Rudolf August alt genug ist, das Unternehmen zu übernehmen.

00:06:13: Kasselowski nimmt den Auftrag an, während sich die politische Lage in der Weimarer Republik zunehmend destabilisiert.

00:06:20: Das ist Folge zwei von vier.

00:06:43: Sie wollen einen neuen Zulieferer, der sie weniger abhängig von der chemischen Fabrik Goldenberg macht.

00:06:49: Der Vertreter der Fabrik lässt sie nach einer Führung noch einen Moment allein in der Fabrikhalle.

00:06:55: Luis, ich finde, die Fabrik eignet sich gut für unsere Zwecke.

00:07:00: Wir brauchen nach unserem Rechtsstreit mit Goldenberg einfach einen neuen Zulieferer für Weinstein, sonst können wir die Backpulver-Produktion nicht sichern.

00:07:07: Die Qualität der Produkte von Budenheim muss zweifelsohne noch sehr viel besser werden, Aber die Anlagen sind da und die Fabrik ist denkbar günstig gelegen.

00:07:15: Warum?

00:07:16: Weil unser Zulieferer Goldenberg nur ein paar Kilometer rein aufwärts liegt?

00:07:20: Genau.

00:07:21: Wir trennen uns von Goldenberg, lassen uns mit Budenheim ein und müssen keinen einzigen Transportweg ändern.

00:07:29: Das wäre über kurz oder lang das Ende von Goldenberg.

00:07:32: Erstens ist das nicht unser Problem.

00:07:34: Und zweitens, naja, wo gehobelt wird, ich wäre in dem Fall für ein kurzes Ende.

00:07:41: Ich höre?

00:07:43: Naja.

00:07:44: Was wäre denn, wenn, sagen wir mal, einige leitende Angestellte von Goldenberg sich plötzlich selbstständig machen und Budenheim für uns so aufbauen, wie wir es brauchen?

00:07:57: Zum Beispiel.

00:07:58: Nur zum Beispiel.

00:08:00: Richard Kasselowski fährt mit einer Fingerspitze über eine der Maschinen und bläst den Staub ab.

00:08:06: Hier gibt es natürlich so einiges zu verbessern.

00:08:09: Wie sollten wir die leitenden Angestellten von Goldenberg denn überzeugen für uns zu arbeiten?

00:08:15: Eine Möglichkeit wäre, ihnen finanzielle Anreize zu geben.

00:08:20: Für uns wäre ein Wechsel von Goldenberg zu Budenheim mit weniger Kosten verbunden.

00:08:25: Goldenberg hat seine Rohstoffe aus den USA bezogen.

00:08:28: Budenheim stellt sie hier in Deutschland her.

00:08:31: Und warum sollte Budenheim sich auf all das einlassen?

00:08:34: Sie hängen uns doch eh schon am Bein.

00:08:37: Sie riechen Geld, ganz einfach.

00:08:39: Wir übernehmen die Mehrheit bei ihnen.

00:08:42: Und wer soll das verhandeln?

00:08:44: Naja, du weißt, der Direktor von Budenheim schätzt mein Zitat, cholerisches Temperament, nicht besonders.

00:08:53: Und wer ist unser Verhandlungsgenie?

00:08:56: Du.

00:08:58: Kasselowski sieht, wie Louis Ötger Gedanken verloren nickt, während er sich im ganzen Raum umsieht.

00:09:04: Dann treffen sich ihre Blicke.

00:09:06: Es ist abgemacht.

00:09:10: Am ersten Januar, und übernimmt Dr.

00:09:13: Ötger die Mehrheit der chemischen Fabrik Budenheim.

00:09:17: Die Chemiker beginnen umgehend, an der Verbesserung des von Budenheim hergestellten Weinsteins zu arbeiten.

00:09:24: Es dauert nicht lange und er ist qualitativ hochwertiger als Jena von Goldenberg.

00:09:29: Dr.

00:09:30: Ötger ist nun nicht mehr von Goldenbergs Produktion abhängig und fährt die Zusammenarbeit herunter.

00:09:35: Als Grund gibt das Unternehmen die nun herrschenden Qualitätsunterschiede an.

00:09:41: Im Juni, in der Aufsichtsratssitzung bei Goldenberg gelingt Kasselowski die Trennung der beiden Firmen Ötgar und Goldenberg, die Auflösung der alten Verträge und das Begleichen des größten Teils der Schulden in der schwachen Einheimischen Währung.

00:09:57: Somit ist Ötgar den alten Geschäftspartner los.

00:10:03: Auch wenn die Inflation den Ötgas bei der Tilgung ihrer Schulden hilft, Die Produktion in den Fabriken kommt im Herbst, der Wirtschaftskrise, zum Erliegen.

00:10:14: Die Belegschaft wird zu großen Teilen entlassen, einige gehen in Kurzarbeit.

00:10:19: Am fünften November gibt es endlich eine Währungsreform, die die Inflation sofort stoppt.

00:10:25: Doch sie hat einen hohen Preis.

00:10:27: Die Bevölkerung verliert ihre gesamten Ersparnisse.

00:10:30: Die alte Währung ist von einem Tag auf den anderen wertlos.

00:10:35: Dr.

00:10:35: Ötger hat allerdings beträchtliche Sachwerte und profitiert von der Reform enorm.

00:10:40: Ihre Schulden werden durch die Inflation entwertet, während sie ihre realen Vermögenswerte wie die Fabrikgebäude behalten.

00:10:48: Unter Kasselowski investiert Dr.

00:10:49: Ötger ab sofort mehr und mehr in andere Wirtschaftsbereiche.

00:10:53: Er kauft die Mehrheit der Anteile der Bielefelderdruckerei grundlach.

00:10:58: Hier hat Ötger nun die Herstellung von Werbung und Verpackungen unter eigener Kontrolle.

00:11:03: Außerdem gehört zur Druckerei ein Verlag, über den Kochbücher produziert werden können.

00:11:08: Zum Verlag gehört auch die Tageszeitung westfälische neueste Nachrichten.

00:11:12: Dann steigt Kasselowski mit Ötgar auch bei den Kochsadlernähmaschinenwerken ein.

00:11:18: Kasselowski sitzt in mehreren Aufsichtsräten.

00:11:21: Dr.

00:11:22: Ötgar wird nun auch in der gehobenen Gesellschaft mehr Respekt entgegengebracht und das Unternehmen engagiert sich noch mehr als zuvor für die Allgemeinheit.

00:11:39: Bielefeld Einen dreißigster Oktober, nineteen hundert dreißig.

00:11:43: Lina Ötger nimmt in der ersten Reihe eines großen Konzerthauses Platz.

00:11:48: Es ist die Rudolf-Ötger-Halle, zu Ehren ihres im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohnes erbaut.

00:11:54: Heute wird sie eröffnet.

00:11:57: Neben ihr sitzt Ötger-Geschäftsführer Richard Kasselowski.

00:12:00: Lina streicht sich die Bluse glatt und sieht sich

00:12:03: um.

00:12:04: Nun, Richard, endlich ist es vollbracht.

00:12:08: Der Rudolf hat es sich so sehr gewünscht, in Bielefeld endlich ein anständiges Konzerthaus zu haben.

00:12:14: Und dann auch noch Brahms zur Einweihung.

00:12:17: Anständig sind aber auch die Kosten.

00:12:20: Erst sollten es nur anderthalb Millionen Reichsmarkt sein.

00:12:24: Dann kommt plötzlich noch eine halbe Million dazu.

00:12:27: Und jetzt am Ende noch mal eine halbe Million.

00:12:30: Das hört er ja gar nicht auf.

00:12:32: In fünf Jahren Bauzeit passiert einiges.

00:12:34: Es fällt einem hier und da noch was auf.

00:12:37: Es sollte dem Andenken an meinen Sohn, deinen besten Freund eben gerecht werden.

00:12:43: Nicht nur das.

00:12:44: Die Halle ist schließlich auch seinen im Weltkrieg mit ihm gefallenen Bielefelder Kameraden gewidmet.

00:12:50: Und wir haben es geschafft.

00:12:51: Es ist alles rechtzeitig fertig geworden.

00:12:54: Ja, wirklich.

00:12:56: Der letzte Nagel wurde heute eingeschlagen.

00:12:59: Richard, ich schätze alles, was du für das Unternehmen tust.

00:13:02: Es gefällt mir sehr gut, dass du den Verlag Gundlach gekauft hast.

00:13:06: Jetzt besitzen wir eine Zeitung und eine Druckerei und können unsere Kochbücher und Verpackungen selbst drucken.

00:13:14: Ich sehe auch, wie du dich um Ida und die Kinder kümmerst.

00:13:17: Du bist ihnen ein guter Stiefvater.

00:13:22: Lina Ötger öffnet einen kleinen Schminkspiegel und beobachtet in der Reflexion, die sich füllende Halle hinter ihr.

00:13:28: Wenn der August das noch erlebt hätte, die ganzen feinen Herren und Damen sind jetzt hier.

00:13:35: Endlich sind wir wer.

00:13:38: Wir ja.

00:13:39: Mal sehen, wie lange die anderen Menschen in diesem Saal noch hier sind.

00:13:43: So wie sich die Wirtschaft aktuell entwickelt.

00:13:46: Ich weiß doch.

00:13:47: Ich habe auch schon versucht, meinen Teil für die Bielefelder Wirtschaft beizutragen.

00:13:52: Ausschließlich lokale Bau- und Handwerksfirmen haben die Halle gebaut.

00:13:56: Sicher.

00:13:57: Aber trotz deiner Gutherzigkeit haben wir bereits fünfzehntausend arbeitslose in Bielefeld.

00:14:02: Auch wir werden noch mehr Leute entlassen müssen.

00:14:05: Maschinen könnten die Arbeit übernehmen.

00:14:08: Wie z.B.

00:14:09: die, die seit kurzem unsere Papiertütchen herstellt.

00:14:11: Wie viele Leute spart sie ein?

00:14:14: Das ist schwer zu sagen, wahrscheinlich so.

00:14:16: Nein,

00:14:16: ich will es gar nicht wissen.

00:14:18: Wie bitte?

00:14:19: Wir schalten die Maschine ab.

00:14:21: So kann die Arbeit weiterhin von unseren Angestellten verrichtet werden.

00:14:25: Und wir müssen niemanden entlassen.

00:14:27: Aber... Pst, es geht los.

00:14:32: Nina Ötka wüscht jeden weiteren Einwand von Kasolowski mit einer Handbewegung weg.

00:14:37: Der Vorhang hebt sich, der Dirigent dreht sich zur Halle und verbeugt sich in ihre Richtung.

00:14:44: Lina Ötger lächelt zufrieden und glücklich zurück.

00:14:52: Die Eröffnung der Rudolf-Ötger-Halle ist ein seltener Glanzmoment in einer schwierigen Zeit.

00:14:58: Die Wirtschaftskrise reist tiefe Gräben in Deutschland.

00:15:02: Von nineteenhundertdreißig bis neunzehundertzweiunddreißig bricht die deutsche Industrieproduktion um vierzig Prozent ein.

00:15:09: Millionen Menschen werden arbeitslos und wenden sich einer Partei zu, die den Regierenden, Zitat, Systemversagen vorwirft und die sogenannte Volksgemeinschaft der Deutschen beschwört.

00:15:21: Bei der Reichstagswahl neunzehntunhundertdreißig holt die bisherige Kleinstpartei NSDAP, achtzehn, drei Prozent der Stimmen.

00:15:30: Zwei Jahre später ist sie mit über siebenunddreißig Prozent stärkste Kraft.

00:15:35: Wenige Monate darauf ist Adolf Hitler Reichskanzler.

00:15:43: Und Richard Kasolowski steigt zum alleinigen Firmenoberhaupt auf.

00:15:48: Zu Lina Ötgass Missfallen beginnt er, mit den neuen deutschen Machthabern anzubendeln.

00:15:56: In die NSDAP ein und gelobt ihnen gut zu dienen.

00:16:00: Zwei Jahre später wird er die Gelegenheit dazu bekommen und ein Kapitel in der Geschichte von Dr.

00:16:05: Ötgass schreiben, welches das Unternehmen über Jahrzehnte verfolgen wird.

00:16:27: Bielefeld, Frühling, und im Hof des Guntlach-Verlags trifft Richard Kasselowski seinen Assistenten.

00:16:36: Soeben hat der Aufsichtsrat getagt.

00:16:39: Ihr Vorsitzender Kasselowski möchte die Tageszeitung westfälische neueste Nachrichten der NSDAP verkaufen.

00:16:46: Sein Assistent hört gespannt zu, was der Chef zu sagen hat.

00:16:50: Nicht alle hier sind der Meinung, dass wir die westfälischen neuen Nachrichten an die NSDAP verkaufen sollten.

00:16:56: Aber die Vorteile überwiegen einfach.

00:16:58: Wir brauchen die Unterstützung der Politik und die NSDAP regiert.

00:17:03: Vielleicht liegt es daran, dass es weniger ein Verkauf der Zeitung ist.

00:17:07: Man könnte meinen, wir schenken sie ihnen, um uns bei ihnen beliebt zu machen.

00:17:12: Ich glaube, die Zeitung kann unter der Igide der NSDAP eine Auflagensteigung mit sich bringen.

00:17:18: Ich habe gehört, dass Reihenweiseabonnenten abspringen, die von den Gerüchten der Übernahme Wind bekommen haben.

00:17:24: Was machen wir da?

00:17:25: In Kopf der Zeitung wird erst mal gar kein Hinweis auf die NSDAP auftauchen.

00:17:30: Wir favorisieren einen sanften Übergang.

00:17:33: In ein paar Monaten wird sich das alles ändern.

00:17:36: Einigem Aufsichtsrat stehen der Übernahme weit feindseliger gegenüber als ich dachte.

00:17:41: Sie begreifen es nicht.

00:17:42: Wir tun der NSDAP einen Gefallen und vielleicht ist das bald zu unserem Vorteil.

00:17:49: Ich bin ihrer Meinung.

00:17:50: Es ist ein kleines Opfer der Partei, die Zeitung zu überlassen.

00:17:54: Ganz klar.

00:17:55: Unsere Position im deutschen Reich kann dies nur stärken.

00:17:58: Wir können außerdem die meisten unserer Mitarbeitenden halten und sind immerhin noch mit neunundvierzig Prozent beteiligt.

00:18:04: Alles Weitere wird sich mit der Zeit ergeben.

00:18:07: Ohnehin habe ich meine Entscheidung bereits gefällt.

00:18:09: Der Gauleiter hat sich schon bedankt.

00:18:11: Richard Kasselowski schenkt seinem Assistenten ein gewinnendes Lächeln.

00:18:19: Am fünftzehnten August, neunzehnthundert und dreißig übernimmt die NSDAP die westfälischen neuen Nachrichten.

00:18:25: Das Blatt schafft es, die Zahl der Abode-Mons stabil zu halten.

00:18:29: Die NSDAP ist zufrieden.

00:18:31: Für Richard Kasolowski ist es ein wichtiger Schritt, denn er möchte in die höchsten Wirtschaftskreise aufsteigen.

00:18:37: Und es funktioniert.

00:18:39: Er wird ab neunzehntetzechsunddreißig zu wichtigen Veranstaltungen wie Parteitagen als – Zitat – Ehrengast des Führers eingeladen.

00:18:49: Innerhalb weniger Jahre ist er Mitglied in einem erlauchten Club.

00:18:52: dem sogenannten Freundeskreis Reichsführer SS, ein exklusiver Zusammenschluss einflussreicher Industrieller, Banker und Wirtschaftsbosse.

00:19:04: Kasselowski hat großes Interesse in Zeiten des politischen Umbruchs nicht abgehängt zu werden und von der neuen Ausrichtung Deutschlands zu profitieren.

00:19:14: Nach der Wirtschaftskrise Anfang der Neunzehnhundertreißiger haben sich die Umsatzzahlen des Unternehmens wieder verbessert.

00:19:24: In den letzten Jahren hat Dr.

00:19:40: Ötgherr das Jahrzehntelang im Schlauen Marketing groß.

00:19:45: Kasselowski setzt auf das Kerngeschäft mit den Klassikern Backpulver, Pudding, Stärke und Götterspeise.

00:19:51: Außer Schokosauce und Würzmischungen für Eintöpfe werden in seiner Zeit zwar kaum neue Produkte entwickelt, dafür beginnt er mit den Gewinnen in andere Unternehmen einzusteigen und Dr.

00:20:02: Ötger weiter krisensicher zu machen.

00:20:05: In den letzten Jahren übernimmt Dr.

00:20:08: Ötger z.B.

00:20:10: der Rederei Hamburg-Süd.

00:20:12: Kurz darauf investiert das Unternehmen zum ersten Mal in Luxus-Hotels.

00:20:17: Werbung ist weiterhin ein Kernaspekt des Erfolgs der Marke Dr.

00:20:20: Oetker.

00:20:22: Zwischen nineteenhundertsechsunddreißig und neunzehundertsehunddreißig veranstalten Oetker-Mitarbeitende deutschlandweit insgesamt fünfzigtausend Backkurse, an denen jeweils zwischen dreihundert und fünfhundert Frauen teilnehmen.

00:20:35: Sparsamkeit, Effizienz und Qualität.

00:20:38: gehören zu den Eckpfeilern des Unternehmens, die auch dem NS-Regime imponieren.

00:20:50: Bielefeld, neunzehntunhundertseinhalbzig.

00:20:53: Auf dem Hof des ötgerschen Fabrikgeländes herrscht Feierstimmung.

00:20:58: Richard Kasselowski beobachte zufrieden die Dekorationen, während die mittlerweile achtundsechzigjährige Lina Ötgar mit stoelscher Mine neben ihm steht.

00:21:08: War das unbedingt nötig, alle Mauern mit Hakenkreuzen zu schmücken?

00:21:12: Der Bürgerpark heißt schon Hitlerpark.

00:21:15: Die Zeitung hast du den Nazis geschenkt.

00:21:17: Lina, die Auszeichnung zum nationalsozialistischen Musterbetrieb ist eine große Ehre.

00:21:24: Es ist ja Lohn für unsere mühevolle Arbeit und für deine sozialen Innovationen.

00:21:29: Mein Lohn ist es, wenn sich Frauen bei uns gut aufgehoben fühlen, ihre Kinder ein sauberes und glückliches Umfeld haben und die Familie in einer schönen Wohnung wohnt.

00:21:38: Nicht so einen Schiebs von oben.

00:21:41: Trotzdem, das muss doch gefeiert werden.

00:21:44: Wenn du meinst, solange ich niemanden mit Heil Hitler begrüßen muss.

00:21:48: Lina, du bist altmodisch.

00:21:49: Du musst mit der Zeit gehen.

00:21:51: Schau dir deinen Enkel an.

00:21:53: Selbst Rudolf August ist inzwischen bei der Reiterstaffel der SA.

00:21:57: Daran will ich gar nicht denken.

00:21:59: Aber er ist bald einundzwanzig.

00:22:01: Er muss wissen, was er tut.

00:22:02: Sag mir Bescheid, wenn ich kurz zum Händeschütteln vorbeikommen soll.

00:22:06: Ich bin im Büro.

00:22:10: Richard Kasselowski sieht Lina Ötgar Kopfschütteln hinterher.

00:22:14: Während ein führender NS-Funktionär ihm auf die Schulter klopft.

00:22:20: Eine von dreißig Betriebenen ganz Deutschland, der diese Auszeichnung erhält.

00:22:24: Und wenn Sie mich fragen, der Beste.

00:22:26: Es ist mehr eine Ehre, dem Vaterland und der Partei nützlich zu sein.

00:22:31: Das merkt man.

00:22:32: Die Kochbücher zur sparsamen Verwendung von Lebensmitteln, die Integration der deutschen Arbeitsfront in den Fabriken, die Kameradschaftsabende, Arbeitersiedlungen.

00:22:42: Die Frauen in ihrer Werbung sind der deutschen Hausfrau und Mutter ein Vorbild.

00:22:46: Es war schon immer unser Anspruch, der Bildung des Volkes zu dienen und den deutschen Werten und Normen zu entsprechen.

00:22:52: Das tun wir zum Beispiel, wenn wir jeden Montag die Betriebsappelle zelebrieren.

00:22:56: Oder wenn wir am Abend gemeinsam die Reden des Führers im Radio hören, der Stoßtrupp, die Werkfrauen schar, alles im Sinne der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft.

00:23:07: Ja, ja, mich müssen Sie nicht überzeugen.

00:23:10: Da, schauen Sie.

00:23:11: Es ist Zeit, dass sie sich feiern lassen.

00:23:16: Richard Kasolowski sieht die Zufahrtsstraße der Fabrik hinunter.

00:23:20: Überall wehen Hakenkreuzfahnen, jubeln die Gäste, stehen Vertreter von NSDAP, SA und SS in Rei und Glied.

00:23:30: Kurz schaut er sich um, ob Lina Ötger zurück ist.

00:23:34: Doch er kann sie nicht entdecken.

00:23:41: Dr.

00:23:42: Ötger erlebt in Nazi-Deutschland einen Aufschwung.

00:23:44: In den letzten Jahren haben sie Produktionsstandorte in zwölf Ländern, darunter Italien, Schweden, Frankreich und Ungarn.

00:23:54: Einige ihrer Werke fahren Doppelschichten, so gut ist die Auftragslage.

00:23:58: Achthundert Millionen Päckchen ihrer Produkte werden weltweit pro Jahr verkauft.

00:24:03: Auch die Beteiligungen an anderen Unternehmen nehmen zu.

00:24:06: Kasselowski hat Mitte der neunzehnhundertreißiger Jahre vor allem den Getränkemarkt im Auge und investiert in Sektkellerien und Bierbrauereien.

00:24:15: Über ihre diversen Beteiligungen an anderen Firmen profitiert Dr.

00:24:19: Ötger früh von der Aufrüstung der Wehrmacht.

00:24:21: Kochs Adler-Nähmaschinenwerke, an denen Ötger beteiligt ist, stellen Bauteile für Panzer, Maschinengewehre und Granaten.

00:24:29: her.

00:24:30: Kasselowski profitiert außerdem von seiner Aufnahme in den Freundeskreis Reichsführer SS, auch Himmler-Freundeskreis genannt.

00:24:38: Hier versammeln sich regimtreue Chefs von Banken, Industrie und Redereien.

00:24:43: Der Zirkel stützt das Wirtschaftsprogramm der Nazis, gibt Ideen und Impulse und unterstützt die SS finanziell.

00:24:50: Es entsteht ein Netzwerk an industriellen und Größen aus der Finanzwelt.

00:25:04: Berlin, Sommer, neunzehntneununddreißig.

00:25:08: Zwei Großunternehmer mittleren Alters kehren nach einem Ausflug mit dem Himmlerfreundeskreis in einem Gartenlokal ein.

00:25:16: Sie bestellen Bier und zünden sich Zigaren an.

00:25:19: Wirklich interessant, wer alles mit im Himmlerfreundeskreis ist.

00:25:23: Der Rüstungsunternehmer Flick.

00:25:25: Karl Rasche von der Dresdner Bank.

00:25:27: Und dann dieser Ötgerschef, dieser Kaselowski.

00:25:31: Was halten Sie von dem?

00:25:32: Der produziert doch schon für den Sieg, oder?

00:25:34: Seine Druckerei Bundlach produziert Parteischrüften.

00:25:38: Kochsadlernährmaschinenwerke, an denen er beteiligt ist, haben komplett auf Rüstung umgestellt.

00:25:43: Und ich habe gehört, dass im Kriegsfall Pudding als ... Unentbärliches Lebensmittel eingestuft wird.

00:25:50: Hören Sie doch auf.

00:25:51: Ja, wirklich.

00:25:52: Alles Haltbare, was man lediglich aufmachen oder nur mit Wasser angießen muss.

00:25:57: Suppenpulver, Brühe, Konserven, Kaffeeersatz und jetzt auch Pudding.

00:26:02: Dr.

00:26:02: Ötger liefert Produkte an die Front und bekommt sogar einen eigenen Abschnitt auf Lebensmittelkarten.

00:26:08: Na ja, dann haben die Jungs an der Front wenigstens ein Gefühl von deutscher Heimat.

00:26:13: Das hilft sicherlich auch der Motivation.

00:26:16: Unfassbar, darauf müssen wir anstoßen.

00:26:23: Himmler scheint den Kasolowski sehr zu mögen.

00:26:26: Haben Sie auch die Fotos von den beiden gesehen?

00:26:28: Als wären Sie seit Jahren beste Freunde.

00:26:31: Ich denke, Himmler will junge dynamische Führungskräfte.

00:26:34: Jung und dynamisch, der Kasolowski ist bestimmt fünfzig.

00:26:38: Ein junger Hüpfer im Vergleich zu den meisten im Freundeskreis.

00:26:41: Und dann auch noch in einer so nützlichen Branche.

00:26:45: Haben Sie bemerkt?

00:26:46: Dass Ötger ein Freundeskreis von Himmler der einzige Vertreter der Konsumgüterindustrie ist?

00:26:51: Ich glaube, Himmler denkt praktisch.

00:26:53: Mit den Truppenbewegungen im Moment.

00:26:56: Der Einmarsch in der Tschechei.

00:26:58: Jetzt vielleicht Polen.

00:26:59: Die Männer an der Front müssen versorgt werden.

00:27:02: Dann noch einmal hoch das Glas.

00:27:05: Auf Brot und Pudding!

00:27:11: Dr.

00:27:12: Ötger profitiert einmal mehr von den Umständen der Zeit.

00:27:16: Während des Krieges wird zunehmend zu Hause gekocht und das Produktionsvolumen steigt in bisher ungekannte Höhen.

00:27:46: beginnt, sich im Unternehmen zu profilieren.

00:27:49: Er soll spätestens nineteenhundertsechsundvierzig das Unternehmen von seinem Stiefvater übernehmen.

00:27:54: nineteenhundertzehnvierzig wird er mit sechsundzwanzig schon persönlich haften der Gesellschafta und ab neunzehundertseundvierzig wird er im Handelsregister zur Vertretung und Geschäftsführung ermächtigt.

00:28:05: Ötger expandiert weiter.

00:28:07: In Deutschland eröffnet das Unternehmen einen weiteren Zweigbetrieb in Hamburg.

00:28:12: Doch es ist Krieg.

00:28:13: Und das geht trotz aller Aufträge nicht spurlos an Ötger vorbei.

00:28:18: Liefer-Schwierigkeiten, Mangelwirtschaft und die ersten Flächenbomber-De-Mans, der alliierten auf deutsche Städte, und die haben vor allem eins im Visier, die Industrie.

00:28:50: Rudolf August Ötger öffnet die Luke der Luftschutzräume der Dr.Ötger-Fabrik und blickt hinaus.

00:28:59: Das Ausmaß der Zerstörung durch die alliierten Bombenangriffe der letzten Nacht ist enorm.

00:29:04: Der XXJ-Jährige hilft Frauen und Kindern aus der Luke.

00:29:09: Eine der Brandwachen auf dem Fabrikgelände erkennt den Firmenarben.

00:29:14: Die Decke hat gehalten.

00:29:16: Was für ein Glück.

00:29:17: Gott sei Dank.

00:29:19: Gott sei Dank, ja.

00:29:21: Aber meine Güte, alles andere ist zerstört.

00:29:25: Geben Sie mir bitte einen kurzen Bericht.

00:29:28: Wir haben nur die ersten Bomben kurz nach einer Nacht mitbekommen.

00:29:32: Erst kamen die Sprengbomben und haben die Dächer der Fabrik durchschlagen.

00:29:35: Dann kamen die Brandbomben und alles ging in Flammen auf.

00:29:38: Das Speichergebäude ist völlig zerstört, das Haus mit der Verwaltung komplett ausgebrannt.

00:29:44: Da stehen nur noch ein paar Mauerreste.

00:29:46: Hat jemand versucht zu löschen?

00:29:47: Wir hatten keine Chance, wir sind gar nicht bis an den Fluss gekommen, um Wasser zu holen.

00:29:51: Eine riesige Flammenwand war da.

00:29:54: Sehen Sie sich nur um.

00:29:56: Wie viele Bomber haben die Engländer denn heute Nacht geschickt?

00:29:59: Weit über fünfhundert, da bin ich mir sicher.

00:30:02: Rudolf August Ötger wischt sich dicken Aschestaub aus dem Gesicht.

00:30:06: Der Rauch aus unzähligen Brandherden beißt in seinen Augen.

00:30:10: Er schaut sich um und blickt auf einen riesigen Schuttberg.

00:30:15: Es war so heiß im Keller.

00:30:16: So unfassbar heiß.

00:30:18: Es gab einen Feuersturm.

00:30:20: Er muss bald tausend Grad gehabt haben.

00:30:22: Er hat einfach Bäume entwurzelt.

00:30:24: Ein Haus nach dem anderen stand in nur einem Augenblick in vollem Brand.

00:30:29: Unter den Trümmern sind sicher Verletzte.

00:30:31: Es wird Hilfe kommen, wir müssen den Weg freiräumen.

00:30:33: Aber was, wenn die Bomber zurückkehren?

00:30:35: Was hat das alles für einen Sinn?

00:30:37: Herr Ötger, warum sollten Sie zurückkommen?

00:30:40: Was sollen Sie noch zerstören?

00:30:42: Alles ist kaputt.

00:30:43: Und außerdem, gerade Sie, haben doch einen guten Grund, weiterzumachen.

00:30:49: Es hat sich zum Jahr rumgesprochen, dass Ihre Frau ein Kind erwartet.

00:30:52: Alles Gute.

00:30:54: Wortlos nickt Rudolf August Ötger und bückt sich.

00:30:57: Er nimmt einen Backstein in die Hand und wirft ihn zur Seite.

00:31:01: Dann noch einen und noch einen.

00:31:10: In dieser einen Bombenacht vom siebenundzwanzigsten auf den achtundzwanzigsten Juli, nineteenhundertdreifundvierzig, sterben allein in Hamburg vierzigtausend Menschen.

00:31:19: Sechzehntausend Wohnblocks gehen in Flammen auf.

00:31:22: Auch zwei Wochen später ist die Glut noch nicht gelöscht.

00:31:25: Bei der Zerstörung der Hamburger Fabrik von Dr.

00:31:28: Ötger bleibt, wie durch ein Wunder, ein Teil der Rohstoffe unbeschädigt und die Transformatorenanlage übersteht den Angriff.

00:31:36: Das Unternehmen entscheidet darauf hin, seine Produktionsstädte am selben Ort wieder aufzubauen.

00:31:42: Drei Monate nach der bomben Nacht läuft die Produktion bereits wieder an.

00:31:46: In der Mitte von der Zeit hat sich der Sohn von Rudolf August Ötger und seiner Frau Susi das Licht der Welt.

00:31:53: Er wird nach dem Großvater und Firmengründer August genannt.

00:31:58: Das Unternehmen hat wieder einen Stammhalter für eine künftige Generation.

00:32:02: Wenige Monate darauf sterben Richard Kaselowski, seine Frau Ida und die beiden Töchter bei einem Bombenangriff auf Bielefeld in ihrem privaten Luftschutzraum.

00:32:13: Mit achtundzwanzig Jahren übernimmt nun Rudolf August Ötgar das Ruder bei Dr.

00:32:17: Ötgar.

00:32:19: Seine Großmutter Lina hat sich inzwischen aus den laufenden Geschäften zurückgezogen.

00:32:24: Im Frühjahr nineteenhundertfünfundvierzig, einen Monat vor der Kapitulation der Wehrmacht gegenüber den Alliierten, stirbt sie als erste und einzige Ehrenbürgerin, Bielefelds.

00:32:35: Besonders ihr Engagement für die Frauen der Stadt ist bis heute unvergessen.

00:32:49: Bielefeld.

00:32:50: Sommer-Ninzenundundundundvierzig.

00:32:53: In den Straßen der stark zerstörten Stadt sind zwei Trümmerfrauen mit Aufräumarbeiten beschäftigt.

00:33:00: Immer wieder müssen sie den Armeefahrzeugen der Befreierplatz malen.

00:33:06: Hast du schon gehört?

00:33:08: Die haben den Ötgersohn Rudolf August abgeholt.

00:33:11: Sie haben ihn angeblich zusammengeschlagen, bis er ohnmächtig war.

00:33:16: Ich hab gehört, der ist jetzt sogar gelernt.

00:33:19: Sie haben ihn wohl erst mal ins Internierungslager Staumüle gebracht, sagen die einen.

00:33:24: Das ist ja schrecklich.

00:33:26: Er war so ein netter Junge.

00:33:28: So hübsch.

00:33:30: Naja.

00:33:31: Für Untersturmführer bei der SS brechen jetzt schwere Zeiten an, wie es ausschaut.

00:33:36: Ich hab gehört, sie haben seine Tätowierung von der WaffenSS gefunden.

00:33:40: Aber er hat doch gar nichts getan.

00:33:43: Das entscheiden nicht wir, fürchte ich.

00:33:45: Hat er nicht sogar drei amerikanische Offiziere bei sich aufgenommen?

00:33:51: Na, die werden nicht schlecht geschaut haben, als sie mitbekommen haben, wer ihnen da den Schnaps einschenkt.

00:33:59: Die beiden Frauen halten inne und wischen sich den staubigen Schweiß von der Stürm.

00:34:03: Aber was geschieht damit ihm?

00:34:06: Ich hab gehört, dass die Leute von der Waffen-SS da nichts zu lachen haben.

00:34:10: Sie werden verprügelt, vielleicht sogar gefoltert.

00:34:14: Aber ich hab von anderen auch gehört, dass der Ötger gar nicht mehr in Stau mühler ist.

00:34:20: Wo denn dann?

00:34:21: Ins Lazarett auf Schloss Wählen verlegt und seine Frau schmuggelt dort wohl regelmäßig koffervoller Lebensmittel rein.

00:34:28: Sie wollen ihn da rausholen.

00:34:30: Wie denn?

00:34:31: Heimlich?

00:34:33: Nein, ganz offiziell.

00:34:35: Man kann wohl eine Unbedenklichkeitserklärung bekommen.

00:34:39: Aber als Untersturmführer bei der SS, ich weiß ja nicht.

00:34:44: Ob das gelingt?

00:34:46: Hoffen wir das Beste.

00:34:48: Die Arbeitsplätze können wir hier gut gebrauchen und eine Lebensmittelfabrik sowieso.

00:34:55: Rudolf August Ötger bleibt in britischer Kriegsgefangenschaft und wartet auf das Ergebnis seines Endnazifizierungsverfahrens.

00:35:03: Übersteht er es, dürfte er die Leitung von Dr.

00:35:06: Ötger wieder übernehmen.

00:35:08: Kurz nach dem Ende des Krieges sind nur vierzig Prozent der Anlagen zerstört.

00:35:13: Die Produktion läuft teilweise schnell wieder an.

00:35:16: Da die Rohstoffe für Lebensmittel fehlen, stellt das Unternehmen Mottenpulver und Gewürztabletten her.

00:35:22: Auch die firmeneigene Druckerei Gundlach hat wieder die ersten Aufträge.

00:35:26: Lebensmittelmarken, die überall gebraucht werden.

00:35:31: Rudolf August Ötger erreicht hinter Gittern ein Angebot aus dem Ausland, das Unternehmen Dr.

00:35:36: Ötger zu verkaufen.

00:35:38: Es wäre eine Möglichkeit, noch einmal ganz von vorn zu beginnen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen.

00:35:44: Egal.

00:35:45: ob die Alliierten ihn für schuldig befinden oder nicht.

00:35:48: Rudolf August Ötger muss nun entscheiden, ob er die Verantwortung für die Vergangenheit schultern will oder Gefahr läuft, als Wenderhals zu gelten und sein Gesicht zu verlieren.

00:35:59: Er wäre persönlich dafür verantwortlich, den Traum seines Großvaters von der Familiendynastie platzen zu lassen.

00:36:06: Ein Produktuniversum und ein gut laufender Konzern stehen auf dem Spiel.

00:36:13: In der nächsten Folge muss Dr.

00:36:14: Ötgas seinen Platz im Nachkriegsdeutschland finden.

00:36:17: Das kollektive Vergessen der Gräuel des Zweiten Weltkrieges, das Wirtschaftswunder und ein stramer Blick nach vorn helfen, dem Traditionsunternehmen sich neu aufzustellen.

00:36:27: Doch während der Studentenbewegung Ende der Sechzigerjahre kommen die Geister der Vergangenheit wieder ans Licht.

00:36:34: Mitte der Siebziger hält schließlich ein spektakulärer Kriminalfall die Ötgas in Atem.

00:36:48: Das war Folge zwei von vier von Imperium.

00:36:51: Die Dr.

00:36:52: Ötgar Story von Studio J. Wenn du mehr über Dr.

00:36:56: Ötgar fahren möchtest, empfehlen wir dir das Buch Die Ötgas von Rüdiger Jungblut und Dr.

00:37:02: Ötgar und der Nationalsozialismus von Jürgen Finger, Sven Keller und Andreas Wirsching.

00:37:09: Ich bin Marc-Wen Puch

00:37:11: und ich bin Aline Staskowiak.

00:37:13: Für Studio J, Producerin, Helene Feldmayer und Alexander Hemsen.

00:37:19: Executive Producer Janis Gebhardt.

00:37:22: Tonassistenz Axinia Dorn.

00:37:25: Das Sounddesign hat Fanny Huda gemacht Gemischt von Fabian Klinke.

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