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Die Dr. Oetker Story | Dynastie und Erbfall | 4

Shownotes

Folge 4/4: Schwer verletzt wird Richard Oetker freigelassen. Es beginnt die Jagd nach dem Entführer und ein Ringen um Gerechtigkeit. Währenddessen verzetteln sich die Oetkers in einem schier unüberschaubaren Geflecht aus Investitionen, Geschäftszweigen und Zuständigkeiten. Bis zuletzt klammert sich Patriarch Rudolf-August Oetker an die Macht und verpasst es, die Erbverhältnisse zu klären. Das Fortbestehen des deutschen Vorzeigeunternehmens hängt plötzlich von vielen Faktoren ab: die Aufarbeitung seiner Geschichte, seine Positionierung in der Gegenwart und eine Perspektive für die Zukunft.

Kontakt: imperium@studio-jot.de Folge IMPERIUM: https://www.instagram.com/imperium.podcast/

Transkript anzeigen

00:00:01: Jörg.

00:00:10: Mönchen.

00:00:19: Der Ältere Bruder des entführten Richard Ötger hat soeben am Bahnhof Karlsplatz, einundzwanzig Millionen D-Mark, an dessen Kidnapper übergeben.

00:00:27: August Ötger schaut den Polizeibeamten am Schreibtisch erwartungsvoll an.

00:00:32: Haben Sie den Schweinehund?

00:00:34: Er ist durch die Lieferantengänge des Bahnhofs entkommen.

00:00:37: Erklären Sie mir noch einmal genau alles, was passiert ist.

00:00:41: Um kurz nach Elf habe ich bei der Zentralbank das Geld in zwei Koffern übernommen.

00:00:45: Von da ging es zum Hotel Sheraton, wo der Entführer mich anrief und zum Hotel Arabella schickte, wo er mich erneut anrief.

00:00:53: Haben Sie die Gespräche mitgeschnitten?

00:00:55: Selbstverständlich.

00:00:58: Möchte Ihnen sagen, Herr Ötka, wie leid uns dieser ganze Vorfall tut.

00:01:03: Ihr Bruder hat einen starken Stromschlag bekommen und sich mehrere Knochen gebrochen.

00:01:08: Wenn Sie ihn abholen, bringen Sie einen Neurologen mit.

00:01:11: Wundern Sie sich nicht, falls er bewusstlos ist.

00:01:14: Ich werde ihn leicht betäuben.

00:01:16: Wir wollen ihm doch die Schmerzen ersparen.

00:01:20: Herr Ötger, kommt Ihnen die Stimme bekannt vor?

00:01:23: Leider nicht.

00:01:25: Was passiert denn nach dem Anruf?

00:01:27: Ich sollte eine Nachricht im Hotel Bayerischer Hof abholen.

00:01:30: Darin stand schließlich, dass ich das Geld zum Hauptbahnhof bringen solle.

00:01:34: In einem Schließfach war dort ein großer Lehrerkoffer.

00:01:37: Da sollte das Geld rein.

00:01:39: Dann ging es zum Bahnhof Karlsplatz, wo ich unter dem Schild einer Apotheke vor einer Tür mit dem Koffer warten sollte.

00:01:46: Dann ging die Tür hinter mir auf.

00:01:48: Eine Stimme sagte, nicht herschauen, dann war der Koffer weg und die Tür wieder zu.

00:01:53: Dann kam ihre Kollegen.

00:01:55: Konnten sie sein Gesicht erkennen?

00:01:58: Nicht wirklich.

00:01:59: Er hat sich seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen.

00:02:02: Ich habe nur eine Brille und seinen langen, dünnen Schnurwart gesehen, aber er sah irgendwie angeklebt aus.

00:02:09: So wie dieser hier.

00:02:10: Schauen Sie mal auf das Foto.

00:02:12: Das könnte er sein.

00:02:14: Wer ist das?

00:02:16: Ein Verdächtiger, den wir in der Nähe eines der Hotels in einem Kastenwagen gesehen haben.

00:02:20: Er sprach über Funk mit jemandem.

00:02:23: Er ist bisher unsere heißeste Spur.

00:02:26: Und hat er sich noch mal gemeldet?

00:02:28: Wo können wir Richard denn jetzt abholen?

00:02:31: Wir warten auf seine Kontaktaufnahme.

00:02:34: Aber bisher gibt es nichts neues.

00:02:38: August Ötger wischt sich den Schweiß von der Stirn.

00:02:41: Der Entführer hat ihn heute Kreuz und Quer durch München geschickt und dabei kaum verwertbare Spuren hinterlassen.

00:02:50: Noch am selben Abend wird Richard Ötger nach einem weiteren Anruf des Entführers gefunden.

00:02:55: In einem im Wald geparkten Auto wartet er auf seine Rettung.

00:02:59: Der Fall erregt sofort internationales Aufsehen und zerrt die Familie Ötger ins Blitzlichtgewitter der Presse.

00:03:07: Die Polizei setzt eine Sonderkommission ein, durch.

00:03:09: die Ermittlungen kommen nur langsam voran.

00:03:12: Eine öffentliche Hotline wird eingerichtet, unter der man sich die Stimme des Entführers anhören kann.

00:03:18: Doch es kommen keine sachdienlichen Hinweise.

00:03:21: Die Familie Ötger droht sich in diesen Zeiten zu entzweien.

00:03:25: Unternehmenschef Rudolf August Ötger will sich mit über sechzig Jahren langsam zurückziehen.

00:03:31: Als Nachfolger kommt der von der Entführung gezeichnete Richard nicht in Betracht.

00:03:36: Er und sein älterer Bruder Christian sind außerdem zu unerfahren.

00:03:40: Eigentlich kommt nur der älteste Sohn August Oetker infrage.

00:03:45: Doch der hat sich nach der Entführung von seinem Heimatland, seinem Vater und der Aufmerksamkeit der Presse distanziert.

00:03:52: Er arbeitet in den USA erfolgreich als Investmentbänker.

00:03:56: Und denkt gar nicht daran, nach Hause zurückzukehren.

00:04:14: Ich bin Marc Ben-Puch und das ist Imperium, die Dr.

00:04:18: Oetker Story von Studio J. Die Familie Ötka ist inzwischen in unzähligen Branchen zu finden.

00:04:37: Sie beschäftigt über zwanzigtausend Menschen und hat über hundertfünfzig Unternehmensbeteiligungen.

00:04:43: Ihnen gehören neuen Banken und Versicherungen, Bauunternehmen, Import-Exportfirmen und Speditionen.

00:04:49: Sie sorgen traditionell dafür, dass Verluste in einem Bereich durch Gewinne in einem anderen ausgeglichen werden können.

00:04:57: Doch dieses Prinzip funktioniert mit den Jahren immer schlechter.

00:05:00: Durch zu viele verschiedene Geschäftsbereiche wird die Ötgagruppe unübersichtlich.

00:05:05: Einige Sparten benötigen mehr Ideen und Innovationen.

00:05:08: In einigen Bereichen täuscht der Eindruck des vermeintlichen Erfolgs.

00:05:16: Das Geschäft mit Tiefkühlpitzen boomt.

00:05:19: Ende der Siebziger hat sich der Umsatz seit der Einführung in den letzten Jahren verzehnfacht.

00:05:24: Und Dr.

00:05:24: Ötgag ist hier klarer Marktführer.

00:05:27: Aber betrachtet man Tiefkühlkost im Allgemeinen, Erreicht Dr.

00:05:31: Ötger in der BAD lediglich einen Marktanteil von gut zehn Prozent.

00:05:36: Unternehmenschef Rudolf August Ötger hat sich außerdem in mehreren Bereichen verkalkuliert.

00:05:41: Vor allem das Brauereigeschäft läuft schlecht.

00:05:44: Der Versuch, eine eigene Biermarke zu etablieren, scheitert.

00:05:48: Erfolglose Investitionen in Brauereien verschlingen Unsummen im zweistelligen Millionenbereich.

00:05:54: Der Einstieg in die Textilbranche misslinkt.

00:05:57: Die Diversifizierung von Dr.

00:05:58: Ötger wird zunehmend zum Problem.

00:06:01: Drei Manager stehen dem Konzernchef zur Seite, um den Überblick zu behalten.

00:06:06: Auch Familienintern hat Rudolf August Ötgar Ende der Siebziger keine ruhige Minute.

00:06:11: Ihm beschäftigt nicht nur die Jagd nach dem Entführer seines Sohnes Richard, sondern auch die Feindseligkeiten zwischen seinen mittlerweile acht Kindern von drei Müttern.

00:06:20: Und vor allem die Suche nach seinem Nachfolger auf dem Chefssessel.

00:06:25: Das ist Folge vier.

00:06:27: Dynastie und Erbfall.

00:06:38: New York City.

00:06:40: Sommer, neunzehntinhundert und siebzig.

00:06:43: Rudolf August Ötka verlässt über die Gangway einen großen imposanten Frachter seiner Flotte.

00:06:49: Am Kai erwartet ihn sein Sohn August, der angestrengt lächelt.

00:06:54: Alle Achtung, Vater.

00:06:56: Ein beeindruckender Auftritt.

00:06:58: Es wäre doch einfacher gewesen zu fliegen.

00:07:01: Ach August, meine Flugangst wird immer schlimmer.

00:07:04: Es war mir einfach angenehmer.

00:07:06: Schön, dass du uns mal besuchst.

00:07:08: Das letzte Mal, als wir uns gesehen haben, da konntest du deine Abneigung gegen meine Frau kaum verbergen.

00:07:13: Schnee von gestern.

00:07:14: Du weißt, wie aufbrausend ich sein kann.

00:07:16: Ich komme nicht zur Erholung.

00:07:18: Das überrascht mich nicht.

00:07:20: Was ist der Grund für deinen Besuch?

00:07:23: August, die Pflicht ruft.

00:07:25: Ich werde bald fünfundsechzig.

00:07:27: Jemand muss den Laden übernehmen.

00:07:31: Schwelgen, gehen Vater und Sohn den Kai entlang.

00:07:36: Die Familie ist doch groß genug.

00:07:38: Schau, was mein Cousin Ahrend macht.

00:07:40: Er pflegt das Erbe seiner Mutter und sitzt in spitzen Verbänden der Industrie.

00:07:44: Er will nicht.

00:07:47: Ich verstehe, ich bin also nicht die erste Wahl.

00:07:49: Doch das bist du.

00:07:51: Ich habe mich nur nicht getraut.

00:07:52: Du hast doch gesagt, wenn ich nach Amerika gehe, bräuchte ich gar nicht erst wiederkommen.

00:07:58: Ich muss dir sagen, mir gefällt es hier.

00:08:01: Die Geschäfte laufen excellent.

00:08:02: Ich stehe vor einer Beförderung bei Lehman Brothers.

00:08:05: Meine Familie fühlt sich hier wohl.

00:08:08: Rudolf August Ötger bleibt stehen.

00:08:10: und schaut seinem Ältesten tief in die Augen.

00:08:14: Ich will, dass du mein Nachfolger wirst.

00:08:17: Nein.

00:08:19: Nimm dir ein Jahr, um von den USA Abschied zu nehmen.

00:08:22: Dann fängst du neunzehntneunundsiebzig bei uns an.

00:08:25: In drei Jahren übernimmst du dann eine leitende Position.

00:08:29: Noch hast du zwar nicht die nötigen Führungsqualitäten, aber du ... Du weißt anscheinend, wie man mich um den Finger wickeln kann.

00:08:35: Hast du sonst noch Kompliment auf Lager?

00:08:38: August, wenn du es nicht übernimmst, wird das Geschäft bald von Familienfremden-Managern geleitet.

00:08:44: Alles, was dein Urgroßvater aufgebaut hat, steht auf dem Spiel.

00:08:49: Es ist deine Pflicht.

00:08:52: Wenn ich den Laden übernehme, glaubt mir.

00:08:54: Dann brechen andere Zeiten an.

00:08:56: Ich werde nicht so ein Alleinhärscher sein wie du.

00:08:59: Und ich werde die Vergangenheit im Krieg nicht schönreden.

00:09:02: Wie du das Unternehmen führst, wirst du entscheiden.

00:09:06: Was das andere betrifft, kannst du machen, was du willst.

00:09:10: Aber erst, wenn ich nicht mehr bin.

00:09:14: Rudolf August Ötger streckt seinem Sohn die Hand hin.

00:09:17: August zögert, sie zu ergreifen.

00:09:19: Neunzehntundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund.

00:09:42: Nach fünfzig Verhandlungstagen wird er im Juni-Nineteinundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund.

00:10:09: Bisher wurde das Unternehmen von seinem Vater als Einzelkaufmann geleitet.

00:10:14: Ihm allein gehörte die Ötgagruppe.

00:10:16: Er haftete mit seinem gesamten Privatvermögen.

00:10:19: Es gibt weder einen Aufsichtsrat, noch eine Arbeitnehmervertretung, die mitbestimmen.

00:10:27: Anfang有一hundertundachtzig wird aus dem Unternehmen eine Kommanditgesellschaft, kurz KG.

00:10:34: Ab sofort liegt die Haftung für den Konzern nicht nur auf den Schultern des Patriarchen, der weiterhin mit einem dreistelligen Millionenvermögen haftet, sondern auch auf den der drei Top-Manager und das Firmenerben August Ötgers.

00:10:47: Auch wenn dieser noch unter der Beobachtung seines Vaters steht, beginnt er langsam, den Konzern umzubauen.

00:10:53: Und da August Ötgers wird das Unternehmen Weltmarktführer bei Tiefkühlpizza.

00:10:58: Aber er versucht auch, defizitäre Geschäftsbereiche abzustoßen.

00:11:02: Trotzdem hat sein Vater bei allen wichtigen Entscheidungen das letzte Wort.

00:11:06: Er sieht es ungern, dass sein Sohn mit der Firmengruppe aus der Textilbranche und der Hochsäfischerei aussteigt.

00:11:12: Häufig geraten Vater und Sohn aneinander.

00:11:16: Es folgen Zeiten der Konsolidierung und weitere Investitionen.

00:11:28: Dresden.

00:11:29: Frühjahr, nineteenhundertneunzig.

00:11:32: August Ötger spaziert mit einer Journalistin durch die Altstadt der sächsischen Landeshauptstadt.

00:11:37: Einige historische Gebäude sind gut gepflegt, andere seit Jahren vernachlässigt.

00:11:43: Überall wird gebaut.

00:11:44: Die Journalistin schaltet ihr Diktiergerät ein.

00:11:46: Herr

00:11:47: Dr.

00:11:48: Oetker, danke für die Gelegenheit eines persönlichen Gesprächs.

00:11:52: Was führt sie momentan nach Dresden?

00:11:55: Wir investieren hier.

00:11:56: Da müssen wir auch Präsenz zeigen und uns mit der Gegend vertraut machen.

00:12:01: Sind die Nahrungsmittelkonzerne die großen Gewinner der Wiedervereinigung?

00:12:06: Nun, zunächst ist wohl das deutsche Volk der große Gewinner.

00:12:10: Aber wirtschaftlich gesehen haben sie recht.

00:12:12: Das gilt ja auch nicht nur für uns, sondern auch für die Konkurrenz.

00:12:16: Wir haben ein zweistilliges Wachstum bei den Gewinnen zu verzeichnen.

00:12:19: Das kann sich sehen lassen.

00:12:21: Die Wiedervereinigung bietet ein enormes Potenzial.

00:12:24: Wer im letzten Jahr nicht gutes Geld verdient hat, der muss sich fragen, wann er eigentlich Geld verdienen will.

00:12:31: Es geht Ihnen also am Ende nur ums Geld.

00:12:34: Ich bin Unternehmer, das kann ich schwer verleugnen.

00:12:36: Aber als solcher habe ich selbstverständlich eine Verantwortung, die über Dr.

00:12:40: Edgar hinausgeht.

00:12:42: Und ich bin fest davon überzeugt, dass die Integration der neuen Länder nur zu Bewerkstelligen ist, wenn man Arbeitsplätze schafft und nicht nur Produkte dorthin liefert.

00:12:52: Wir übernehmen jetzt drei Brauereien und sichern so langfristig Jobs.

00:12:58: Was planen Sie noch in dieser Richtung?

00:13:01: Wir werden noch in diesem Jahr mit einem anderen Nahrungsmittelhersteller ein Joint Venture gründen und in Mecklenburg-Vorpommern ein Werk nur für die Pizza-Produktion bauen.

00:13:10: Wir investieren erst einmal sechzig Millionen Mark.

00:13:13: Dann schauen wir weiter.

00:13:15: Was sagen Sie Kritikern, die Ihnen vorwerfen, das Auslandsgeschäft zu lange vernachlässigt zu haben?

00:13:20: Wir werden Westeuropa nicht vernachlässigen, aber die Märkte sind gut aufgeteilt.

00:13:26: Da wartet niemand auf uns.

00:13:28: In Osteuropa sehe ich Chancen für Wachstum.

00:13:31: Wir schauen gerade, inwiefern wir in Ungarn, Polen und Russland Fuß fassen können.

00:13:36: Auch mit dortigen Produktionsstätten.

00:13:38: Und auch Asien haben wir im Blick.

00:13:41: Aber das ist noch nicht spruchreif.

00:13:45: August Ötger und die Reporterin biegen um eine Ecke und stehen vor der Semperu-Opa.

00:13:50: Der Nihobarockebau wird in warmem Licht angestrahlt.

00:13:55: Sehen Sie nur, wahrlich eines der schönsten Theatergebäude, die es gibt.

00:14:00: Das wird das neue Symbol für unser Radeberger Pilsner.

00:14:04: Aber die Brauerei ist doch gar nicht in Dresden, sondern, naja, in Radeberg.

00:14:10: Ach, die fünfzehn Kilometer.

00:14:12: Und außerdem ist alles nur eine Frage des Marketings.

00:14:16: Wir drehen unsere Werbespots hier, wir sponsern Events, wir fördern vielleicht eines Tages den Nachwuchs der Semperoper.

00:14:23: Wer weiß?

00:14:24: Sie werden sehen, schon bald stellt das niemand mehr in Frage.

00:14:27: Die Kulisse ist einfach zu schön.

00:14:30: Ein abschließendes Wort vielleicht noch, Herr Dr.

00:14:32: Oetker.

00:14:33: Welchen Eindruck haben Sie vom jungen, wieder vereinten Deutschland?

00:14:38: Ich glaube, die Bundesrepublik ist im Moment einfach eine Insel der Seligen.

00:14:49: August-Ötgers Initiativen, den Konzern zu verschlanken und die Investitionen in den Osten zahlen sich aus.

00:15:18: Das Pizza- und Pastawerk in Wittenburg, Mecklenburg-Vorpommern ist ein voller Erfolg.

00:15:23: Hier werden pro Stunde, ein-tausend-zwei-hundert Kilogramm Nudeln gekocht und zwei-tausend-drei-hundert Kilogramm Gemüse gemischt.

00:15:30: Pro Tag stellt Dr.

00:15:31: Ötger hier mehr als hunderttausend Fertiggerichte her.

00:15:35: Zusammen mit einem zweiten Werk im Rheinland-Felsischen Wittlich fertigt das Unternehmen pro Tag zwei Komma drei Millionen Tiefkühlpizzen.

00:15:43: Damit sind sie europaweit Marktführer.

00:15:49: August Oetker profiliert sich als talentierter Chef, der das Unternehmen mit modernen Ideen in die Zukunft führt.

00:15:56: So wie er defizitäre Unternehmen abstößt, baut der andere Sparten aus.

00:16:01: Ganz besonders das Rederei-Geschäft.

00:16:03: Er übernimmt zahlreiche Schiffslinien aus aller Welt und die Flotte wächst.

00:16:08: Plötzlich verfällt der Dollar Anfang der neunziger Jahre nach der Golfkrise Und Rezessionen in Südamerika, Australien, Neuseeland und den Vereinigten Staaten belasten die ötgarische Redereihe Hamburgs Süd.

00:16:20: Die Frachtraten sinken.

00:16:24: Rutscht die Redereihe in die roten Zahlen.

00:16:27: Seit Jahrzehnten macht ötgar mit Hamburgs Süd-Milliarden-Umsätze.

00:16:31: Das Unternehmen braucht schnell eine Lösung, um seine lukrativste Sparte nicht zu verlieren.

00:16:51: August Ötger steht auf dem Rasen vor der Villa seines Vaters und sieht die Frachtschiffe vorbeiziehen.

00:17:01: Kopf schüttelnd und mit einer Pfeife im Mundwinkel kommt sein Vater Rudolf August Ötger dazu.

00:17:08: Wie schnell es doch gehen kann, August.

00:17:11: Eben noch verdienen wir Milliarden mit unseren Frachtschiffen.

00:17:14: Und nun schreiben wir rote Zahlen.

00:17:18: Ich bin ja der Meinung, wir könnten eine Fusion mit der Happer Kleut versuchen.

00:17:21: Mit unserem direkten Konkurrenten, die sind doppelt so groß wie wir.

00:17:25: Was glaubst du, wie viel wir dann noch zu sagen haben?

00:17:28: Das kann nicht die Lösung sein.

00:17:31: Dann bleiben uns nur zwei Möglichkeiten.

00:17:33: Uns komplett zurückzuziehen und alles verkaufen.

00:17:36: Niemals.

00:17:37: Weißt du, wie lange es gedauert hat, das alles aufzubauen?

00:17:40: Wir sind nicht über Nacht der größte Privaträder Deutschlands geworden.

00:17:43: Die andere Möglichkeit wäre, eiskalt zu expandieren.

00:17:46: Mit welchem Geld denn?

00:17:49: Wir verkaufen ein paar Schiffe und verschlanken die Verwaltung.

00:17:53: Dann hätten wir schon mal einen besseren Cashflow.

00:17:56: Ja, wenn nur die Finanzkrisen in Asien und Südamerika nicht wären, die Haushaltsdefizite in Brasilien, die Mexikokrise und die Wirtschaft in Argentinien gefällt mir auch nicht.

00:18:05: Was in Thailand abgeht mit den Auslandsschulden und den absurden Investitionen, das zieht noch den ganzen Kontinent nach unten.

00:18:13: Gut, aber vielleicht ist das auch eine Gelegenheit, hier und da jemanden günstig aufzukaufen.

00:18:21: Vater und Sohn setzen sich an den Tisch auf der Terrasche und überlegen einen moment schweigend.

00:18:27: Ja, falls wir... Wir müssten... Du zuerst, Vater.

00:18:32: Na dann, schauen wir doch erst einmal auf das Stammgeschäft von Hamburg Süd.

00:18:36: Die Verbindung nach Südamerika.

00:18:38: Allianza ist in Schwierigkeiten, habe ich gehört.

00:18:41: Die haben immerhin um die Fünfzig Schiffe.

00:18:44: Damit könnte man vielleicht Mexiko, die Karibik und Asien mit Brasilien verbinden.

00:18:49: Das könnte riskant werden.

00:18:51: Also wenn mir etwas anhängt, dann dass ich zu vorsichtig bin und höchstens konsolidierer.

00:18:57: Also gut.

00:18:58: Jetzt gehen wir in die Offensive.

00:19:00: August Ötger sieht seinen Vater nachdenklich nicken.

00:19:03: Ob er ihm zustimmt oder an den Erfolgschancen der Expansion zweifelt, ist nicht klar.

00:19:12: Zwei Jahre später kauft Dr.

00:19:14: Ötgers Rederei Hamburg Süd die brasilianische Allianza für fünfzig Millionen D-Mark auf heute gerechnet gut vierzig Millionen Euro.

00:19:23: Dazu kommen bis zur Jahrtausendwende noch drei weitere kleinere ausländische Frachtredereien.

00:19:29: Ob sich die Investitionen langfristig lohnen, ist angesichts anhaltender internationaler Wirtschaftskrisen noch nicht absehbar.

00:19:37: In anderen Bereichen stärkt August Ötger seinen Ruf als moderner Konzernchef.

00:19:42: Schon in den letzten Jahren engagiert er im Management des Unternehmens einen Umweltbeauftragten, der die Produktion auf Nachhaltigkeit prüft.

00:19:50: Dieser hat das Recht, Vetos bei Investitionen einzulegen.

00:19:54: Außerdem legt er Regeln für den betriebsinternen Umweltschutz fest, darunter Mülltrennung und biologische Kläranlagen und gibt Seminare für die Belegschaft.

00:20:04: August Ötger sieht nach eigener Aussage keinen Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie.

00:20:13: Ab Ende der Achtziger werden bei Dr.

00:20:14: Ötger jährlich Umweltprüfungen durchgeführt.

00:20:19: als Ökomanager des Jahres ausgezeichnet.

00:20:33: So wie seine Urgroßeltern sich bei sozialen Maßnahmen für Angestellte einsetzten, engagiert August Ötga sich für Umweltschutz.

00:20:41: Neben den positiven Meldungen treten immer wieder die alten Schwierigkeiten zutage.

00:20:45: Sie übernimmt ein neuer Leiter die Kunsthalle in Bielefeld und rückt deren offiziellen Namen Richard Kaselowski-Halle wieder in den Mittelpunkt.

00:20:56: Es folgen Protestaktionen zum dreißigsten Jubiläum der Kunsthalle.

00:21:06: Bielefeld, Ninzehundertneunzig.

00:21:09: Im Vorraum der Kunsthalle Bielefeld stehen zwei junge Mitarbeiterin des Museums und beobachten besorgt die Vorgänge vor dem Fenster.

00:21:17: Da ist wieder dieser Typ mit seinem Stand.

00:21:20: Welcher Typ?

00:21:21: Was meinst du?

00:21:22: Stimmt, du warst ja im Urlaub.

00:21:24: Pass auf, hier brennt gerade echt die Luft.

00:21:27: Es ist eine richtige Bürgerbewegung geworden.

00:21:30: Hier, dieses Flugblatt wird überall verteilt, ließ mal.

00:21:35: Der Rad der Stadt Bielefeld wird aufgefordert zu beschließen.

00:21:39: Die Bielefelder Kunsthalle heißt in Zukunft nur noch Kunsthalle Bielefeld.

00:21:44: Der Namenszusatz Richard Kasselowski Haus wird gestrichen.

00:21:48: Warum eigentlich?

00:21:51: Wie es da auf dem Flugblatt steht.

00:21:53: Der war wohl Förderer des Nazi-Regimes.

00:21:55: Aber keine Ahnung, ich hab da auch nur halb wissen.

00:21:59: Und was macht jetzt dieser Typ da draußen?

00:22:02: Ich glaube, er verkauft Kunstdrucker von einer Grafik, die sehen aus wie kleine Pizzakartons.

00:22:07: Die Pizza auf dem Bild hat die Form von einem Hakenkreuz und du kannst sie entweder in der Geschmacksrichtung Ida oder Richard Kasselowski haben.

00:22:17: Ist

00:22:17: keine dumme Idee.

00:22:18: Ich glaube, ich hätte so eine gerne.

00:22:20: Ist ja ein Zeitdokument.

00:22:22: Ja, dann hol dir die mal heimlich, so dass der Chef dich nicht sieht.

00:22:27: Gespannt beobachten die beiden, wie immer mehr Menschen zusammenkommen und dem Künstler für Acht-D-Mark einen Karton der Pizza-Kasselowski abkaufen.

00:22:37: Ich habe gehört, dass der alte Ötka damit droht, die Werke aus seiner Privatsammlung zurückzunehmen, die er dem Haus als Leihgabe gegeben hat.

00:22:45: Oh nein, aber hoffentlich nicht die russische Tänzerin von Kirchner.

00:22:50: Das ist mein Lieblingsbild.

00:22:52: Oh doch.

00:22:53: Absurd, dass das eins von den Werken ist, die die Nazis als entartete Kunst bezeichnet haben.

00:23:00: Aber ich meine, kann die Stadt das einfach so machen?

00:23:04: Er hat das Museum doch gestiftet?

00:23:06: Naja, ganz so ist es nicht.

00:23:09: Richard August Ötger hat damals ein Drittel der Baukosten bezahlt.

00:23:14: Der Rest kam aus Steuergeldern.

00:23:16: Dafür durfte er dann aber den Architekten bestimmen?

00:23:19: die Halle nach seinem Stiefvater benennen und eine Gedenktafel im Eingangsbereich aufhängen.

00:23:25: Jetzt wollten sie die Halle erst nach Kasselowski's Frau umbenennen, aber dann kam heraus, dass sie auch seit nineteenhundertsiebenunddreißig in der NSDAP war.

00:23:34: Dann mal sehen, wie lange der Name noch bleibt.

00:23:37: Die beiden Museumsmitarbeiterinnen zucken mit den Schultern und widmen sich wieder den Vorbereitungen für die Feiern zum dreißigsten Jubiläum der Kunsthalle, während sich der Vorplatz weiter mit Protestierenden füllt.

00:23:52: Einen Monat später beschließt die Stadt Bielefeld die Streichung von Kasselowski aus dem Namen der Kunsthalle.

00:23:58: Rudolf August Ötger macht daraufhin seine Drohung wahr und zieht seine Leihgaben aus dem Museum ab.

00:24:04: Seine Frau Maya und er sehen sich als Opfer.

00:24:08: Sie sprechen von linkem Meinungsterror aus dem grünen Umkreis der Uni Bielefeld und finden, dass Ideologie, Dummheit und Feigheit gesiegt haben.

00:24:19: August Ötger ist das Verhalten seines Vaters ein Dorn im Auge.

00:24:23: Sein Wunsch, die NS-Zeit im Unternehmen Dr.

00:24:26: Ötger endlich aufzuarbeiten, scheitert am Veto seines Vaters.

00:24:31: Der Umgang mit der Vergangenheit spaltet auch die Nachkommen und zukünftigen Abend des Konzerns.

00:24:36: Die älteren Geschwister aus der ersten und zweiten Ehe von Rudolf August Ötger befürworten die Aufarbeitung.

00:24:43: Die drei Jüngeren aus der Dritten Ehe sind laut Aussagen August Ötgers dagegen.

00:24:50: Geschäftlich fährt der Firmenerbe unbeirrt seinen Kurs.

00:24:55: Das Redereigeschäft liegt ihm am Herzen.

00:24:58: Durch die Expansion und eine sich erholende Weltwirtschaftslage, generiert die Spate über fünf Milliarden Euro.

00:25:05: In etwa die Hälfte des gesamten Konzernumsatzes.

00:25:08: Ötger wird auch deutscher Marktführer im Biergeschäft, nachdem das Unternehmen eine weitere Brauereigruppe übernimmt.

00:25:16: August Ötger stärkt weiterhin die funktionierenden Geschäftsbereiche, stößt andere ab und treibt die Nachhaltigkeit weiter voran.

00:25:24: Der Sechzigjährige digitalisiert das Unternehmen und öffnet ein Forschungs- und Entwicklungszentrum.

00:25:30: Zwei-tausend-sieben stirbt sein Vater Richard August Ötger, der das Unternehmen seit Mitte der vierziger Jahre erst als Chef und später als veto-berechtigter, persönlich haftener Gesellschafta über Sechzig Jahre geprägt hatte.

00:25:45: Er hinterlässt seinen acht Kindern jeweils zwölf, fünf Prozent der Ötgar-Gruppe, welche inzwischen aus vierhundert Unternehmen besteht.

00:25:53: Sein Wunsch?

00:25:54: Die Nachkommen sollen das Erbe in Harmonie und Eintracht verwalten.

00:26:06: Schloss Johannesberg im Rheingau, September, Zwei-Tausend-Elf.

00:26:11: Auf einem Weingut treten die Jüngste der Ötgar-Erben Julia Ötgar und ihr frisch angetrauter Mann aus einer Basilika.

00:26:19: Kinder streuen Blumen, und Gäste jubeln.

00:26:25: Etwas abseits stehen zwei Boulevardreporter und registrieren jedes Detail der Veranstaltung.

00:26:32: Edelsteine in der Frisur, fünf Meter lange Schleppe.

00:26:36: So

00:26:36: heiratet man einen spanischen Grafen.

00:26:39: Aber hast du ihre beiden älteren Brüder schon gesehen?

00:26:42: Ich bitte dich, die werden sich ja hier nun nicht blicken lassen.

00:26:45: In diesen gesellschaftlichen Sphären ist jeder öffentliche Auftritt Politik.

00:26:49: Und was denkst du, soll uns deren Abwesenheit sagen?

00:26:53: Da brot als Gewalt dich hinter den Kulissen, es geht um den Chefssessel.

00:26:57: Ich habe gehört, dass sie gewisse Abmachungen getroffen haben.

00:27:01: Nachdem August ja letztes Jahr aufgehört hat, dachte sein kleiner Halbbruder Alfred, er wäre dran.

00:27:07: Aber dann hat doch Augusts Bruder Richard den Chefssessel übernommen und zack, hing der Aussegen wieder schief.

00:27:14: Warum hat der August dann eigentlich nicht weitergemacht?

00:27:18: Die haben intern eine Regelung.

00:27:20: Mit fünfundsechzig ist man raus als Chef.

00:27:23: Aber sein Vater, Richard August, war doch damals viel länger am Ruder.

00:27:28: Naja, der hat immer seine eigenen Regeln gemacht.

00:27:31: Ich glaube, auch sein Sohn hätte gerne noch ein paar Jahre als Chef dran gehangen.

00:27:36: Aber da hatten seine jüngeren Halbgeschwister.

00:27:38: was dagegen.

00:27:40: Ob das wohl etwas damit zu tun hat, dass er jetzt Historiker in die Familienarchive gelassen hat, um die Nazizeit aufzuarbeiten?

00:27:48: Reine Spekulation.

00:27:50: Stesschen?

00:27:53: Ja.

00:27:54: Und wie geht's jetzt weiter?

00:27:55: Wenn die Historiker ihr Buch veröffentlichen, brennt doch bei denen schon wieder die Luft.

00:28:00: Du, ganz ehrlich.

00:28:02: Ich glaube, die Zeiten, dass jemand aus der Familie die Unternehmensgruppe leitet, sind vorbei.

00:28:07: Die laden sich ja schon jetzt, anscheinend, nicht mehr gegenseitig zu ihren Hochzeiten ein.

00:28:12: Ob der Alfred da überhaupt noch auf den Chefsessel kommt?

00:28:15: Ganz ehrlich?

00:28:16: Wer als Chef?

00:28:17: Ich weiß nicht.

00:28:18: Es ist kein Chefmaterial.

00:28:20: Meine Meinung.

00:28:21: Nur ganz allein.

00:28:22: Meine Meinung.

00:28:23: Die Konflikte bei den Ötgers reißen nicht ab.

00:28:36: Die jüngeren Geschwister wollen den Mischkonzern neu ausrichten.

00:28:41: Im Jahr two-tausendneun leidet das Unternehmen stark unter der Finanzkrise.

00:28:45: Der Umsatz bricht um vierzehn Prozent ein.

00:28:48: Die Jüngeren wollen das Geschäft nun krisensicherer aufstellen.

00:28:51: Sie hängen kaum an den Redereien, obwohl diese zwei-tausendzehn mit über vier Milliarden Euro die Hälfte des gesamten Ötgerumsatzes ausmachen.

00:29:02: Auch die Recherchen der Historiker zur NS-Vergangenheit der Familie sorgen für Zwist.

00:29:07: Vor allem, als diese die ersten Ergebnisse vorlegen, das Unternehmen war direkt und indirekt in die Kriegswirtschaft verstrickt.

00:29:15: Der damalige Ötgalschef Kaselowski hat nach ihren Recherchen von den Machenschaften der Nazis gewusst und profitiert.

00:29:23: Für die Veröffentlichung wird die Veröffentlichung in Buchform angekündigt.

00:29:27: Die Reaktionen darauf sind schwer vorherzusehen.

00:29:31: Shitstorm oder Schulterzucken?

00:29:34: Das ist hier die Frage.

00:29:51: Bielefelds.

00:29:54: In seinem Büro im Filmensitz empfängt August Ötger einen Journalisten und eine Reporterin der Zeitung die Zeit.

00:30:01: Anlass ist die Veröffentlichung der Rechercheergebnisse zu NS-Zeit in Buchform.

00:30:07: Herr Ötger, warum kam es so lange Zeit nicht zu einer Aufarbeitung dieser kritischen Jahre?

00:30:14: Ganz einfach.

00:30:15: Mein Vater wollte über diese Zeit nicht sprechen.

00:30:18: Er hat gesagt, das war eine schlimme Zeitkinder, lasst mich damit in Ruhe.

00:30:22: Und dann war das Thema wieder vom Tisch.

00:30:25: Er hat gesagt, dass wir das ja schließlich nach seinem Tod machen können.

00:30:29: Ich fand das schon lange schwer erträglich.

00:30:36: Vielleicht wollte er nicht der gewesen sein, der er war.

00:30:40: Vielleicht wollte er einen Teil seines Lebens redigieren.

00:30:43: Das kann ich zwar nachvollziehen, aber... Das macht es nicht besser.

00:30:48: Hatten Sie denn den Eindruck, dass Ihr Vater auch nach nineteenhundertfünfundvierzig noch empfänglich war für rechtes Gedankengut?

00:30:55: Das sind die Menschen bis heute.

00:30:57: Und er war es auch.

00:30:59: Deswegen war es mir so wichtig, eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag zu geben.

00:31:04: Wir müssen uns der Vergangenheit stellen.

00:31:08: Das sehen ja nicht alle Familienmitglieder so.

00:31:11: Das stimmt.

00:31:12: Die jüngeren Geschwister sind meinem Vater noch nicht so entwachsen.

00:31:16: Die haben sich gefragt, tun wir unserem Vater da etwas Böses an?

00:31:21: Sorgen wir dafür, dass sein sonst so guter Ruf befleckt wird?

00:31:25: Bei mir war das anders.

00:31:27: Ich hatte das Gefühl, jetzt geht es an die Fakten.

00:31:31: Jetzt wird der Nebel gelichtet.

00:31:34: Die Reporterin nickt ihrem Kollegen zu, der übernehmen soll.

00:31:38: Herr Oetker, einmal wurde es ja wirklich offensichtlich, wie ihr Vater zur Vergangenheit stand.

00:31:44: Das war, als es um die Umbedennung der Kunsthalle Bielefeld ging.

00:31:48: Er sah sich und seinen Stiefvater einer Kampagne ausgesetzt.

00:31:52: Seine Frau sah nachträgliche Diluzianzen am Werk.

00:31:56: Am Ende ließ ihr Vater seine Bilder aus dem Museum abholen.

00:32:00: Wie haben sie das empfunden?

00:32:01: Ja, es waren ja nur sieben von fünfhundert Werken aus dem Depot und vier davon wurden fast nie ausgestellt.

00:32:08: Trotzdem ist es schade.

00:32:10: Und ich habe damals die Rücknahme der Bilder als trotz empfunden.

00:32:14: Ich hätte es nicht gemacht.

00:32:16: Auch mit der Stadt Bielefeld.

00:32:18: an sich schien ihr Vater dann ja abzurechnen.

00:32:22: Eine Stadt, die ja nun untrennbar mit der Erfolgsgeschichte des Hauses Ötger verbunden ist.

00:32:28: Das ist richtig.

00:32:29: Mein Vater hat gesagt, mit dieser Stadt machen wir nichts mehr.

00:32:33: Er sah in dem Beschluss Unzuverlässigkeit und Illoialität.

00:32:37: In dieser Frage hat er sich bis zu seinem Tod nicht beruhigt.

00:32:41: Würden Sie selbst Ihren Vater als... Nazi bezeichnen?

00:32:46: Mein Vater war ein Nationalsozialist.

00:32:52: Herr Ötger, vielen Dank für dieses Gespräch.

00:32:58: Die Veröffentlichung des Buches trifft in der Öffentlichkeit auf großes Interesse.

00:33:03: Viele loben die Transparenz, auch wenn sie sehr spät einsetzt.

00:33:07: Innerhalb der Familie vertiefen sich durch das Buch die Gräben zwischen den Erben des Konzerns.

00:33:12: Rudolf August Ötgers dritte Frau Maja wehrt sich vehement gegen die Aussagen ihres Stiefsohnes August.

00:33:19: Auf ihrer Seite hat sie die gemeinsamen Kinder aus der letzten Ehe des verstorbenen Patriarchen.

00:33:25: Dem Erfolg des Unternehmens schadet das Buch jedoch nicht.

00:33:28: Zwei Tausend Dreizehn macht die Ötgagruppe einen weltweiten Jahresumsatz von fast elf Milliarden Euro.

00:33:34: Zwei Drittel davon im Ausland.

00:33:36: Die Redereitsparte hat mit gut siebenundvierzig Prozent den größten Anteil am Geschäft.

00:33:41: Die Nahrungsmittel machen nur noch vierundzwanzig Prozent aus.

00:33:45: Die Getränkesparte fast genauso viel.

00:33:47: Die Anzahl der verkauften Päckchen Backpulver zählt schon lange niemand mehr.

00:33:54: In dieser Zeit laufen seit einigen Jahren Gespräche über eine Großfusion.

00:33:59: Die deutsche Linienrederei Hapakleut und die ötgereigene Hamburg Süd prüfen eine Fusion.

00:34:05: Es würde so die viertgrößte Rederei der Welt entstehen.

00:34:08: August Ötgar würde dies gern sehen, um in der ötgarschen Traditionsbranche weiter tätig zu sein.

00:34:14: Doch die Gespräche platzen auf Wunsch der Ötgarseite.

00:34:18: Stattdessen wird Hamburg Süd, zwei Tausend Siebzehn, nach Achtzig Jahren in Familienbesitz, an die dänischen Marktführer Mersk für drei Komma sieben Milliarden Euro verkauft.

00:34:29: Auch das Bankhaus Lampe wechselt zwei Tausend Zwanzig den Besitzer für geschätzte Zwei Hundert Fünfzig Millionen Euro.

00:34:36: Es ist das Ende einer Ära.

00:34:39: Dr.

00:34:39: Ötger stößt diverse traditionelle Geschäftszweige ab und kurz darauf kommt es zu einer Zeitenwende im Familienunternehmen.

00:34:56: Bielefeld, November, zwei-tausend-einundzwanzig.

00:35:00: In einem Konferenzraum ist soeben das Ende des Familienunternehmens Dr.

00:35:04: Ötgabe schlossen worden.

00:35:06: Zurück bleiben eine Anwältin und eine Anwalt, die bei dem abschließenden Treffen dabei waren.

00:35:12: Hundertdreißig Jahre haben sie es geschafft.

00:35:15: Eigentlich nicht schlecht für ein Familienunternehmen.

00:35:18: Schade ist es trotzdem, aber es ging ja nicht weiter.

00:35:22: Für Entscheidungen braucht es ja immer eine Mehrheit von fünf und siebzig Prozent.

00:35:26: Die älteren Kinder aus den ersten zwei Ehen hatten nur zweiundsechzig Komma fünf Prozent der Anteile.

00:35:31: Die Jüngeren, sieben und dreißig Komma fünf Prozent.

00:35:34: Die haben sich nur noch blockiert.

00:35:36: Für die Beschlussfähigkeit hätten die Älteren einen Jüngeren auf ihrer Seite gebraucht.

00:35:40: Erstaunlich, dass da so eine Lagerbildung stattgefunden hat.

00:35:45: Naja, das war am Ende nur noch ein, wie du mir, so ich dir.

00:35:49: Ich könnte mir schon vorstellen, dass die Jüngeren die Fusion der Redereien verhindert haben, einfach um gegen die Älteren zu sein.

00:35:57: Jetzt haben sie jetzt zwei Unternehmensgruppen.

00:35:59: Eine für die Jüngeren, eine für die Älteren.

00:36:02: Jetzt darf jeder und jede mal Geschäftsführer sein.

00:36:05: Meinst du, Julia Özker interessiert sich dafür, allein ihre Ankündigung als Gesellschafterin an der Strategie mitzuwirken, aber nicht in die Geschäftsführung zu wollen?

00:36:15: Mal sehen, wie lange sie das macht.

00:36:18: Weißt du, ob die zwei Unternehmensgruppen dann hier unter einem Dach in Bielefeld bleiben?

00:36:23: Die Jüngeren haben schon neue Räume.

00:36:25: Hier irgendwo um die Ecke in Bielefeld.

00:36:28: Aber wenigstens ist dieser Streit nun zu Ende.

00:36:30: Sonst wäre das alles bald in Bach runtergegangen.

00:36:34: Eine Reinigungskraft betritt den Konferenzraum.

00:36:37: Der Anwalt und seine Kollegen verstehen das als Signal zum Aufbruch.

00:36:42: Sie räumen ihre Unterlagen zusammen und verabschieden sich mit einem Handschlag.

00:36:51: Seit der Zerschlagung der Ötgar-Gruppe im Herbst, sind die acht Erben von Rudolf August Ötgar in zwei voneinander unabhängige Unternehmensgruppen getrennt worden.

00:37:03: Die älteren operieren unter dem Namen Dr.

00:37:06: August Ötgar KG.

00:37:08: Ihnen untersteht unter anderem die Lebensmittelsparte und das Biergeschäft.

00:37:12: Sie erwirtschaften einen Umsatz von über sieben Milliarden Euro jährlich.

00:37:17: Seit Mai, twenty-fünfundzwanzig, führt mit Karl Ötgar Ein Ur-Urenkel des Unternehmensgründers, die Firmengruppe in Bielefeld.

00:37:25: Die Jüngeren machen weiter als die Ötgar-Collection-KG.

00:37:29: Alfred und Ferdinand Ötgar funktionieren hier als persönlich Haftene-Gesellschafter.

00:37:35: Ihnen gehören unter anderem die Sektkellerai Henkel, die chemische Fabrik Budenheim und die Ötgar-Hotelmanagement Company, zu der auch das Brenners Park Hotel und Spa in Baden-Baden gehört.

00:37:47: Ihre Unternehmensgruppe macht ihr ehrlich zwei Komma fünf Milliarden Euro Umsatz.

00:37:52: Julia Ötger hat sich zwei Tausend vierundzwanzig schließlich auszahlen lassen und geht ihre eigenen Wege.

00:37:59: Mit einem geschätzten Privatvermögen von ca.

00:38:01: drei Milliarden Euro stehen ihr alle Türen offen.

00:38:09: Die einheitliche strategische Ausrichtung der Familie ist nicht mehr gegeben.

00:38:14: Acht gleichberechtigte Erben aus drei verschiedenen Ehen bringen unterschiedliche Prioritäten und Interessen ein.

00:38:22: Unter der Leitung von Rudolf August Ötger, Enkel des Firmengründers, erfolgte kein rechtzeitiger Übergang der Verantwortung und keine Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen, was die Abstimmung innerhalb der Familie erschwerte.

00:38:36: Der Großteil der Kundschaft bekommt davon nicht viel mit.

00:38:41: Dr.

00:38:41: Ötger Pitzer ist weiterhin europaweit Marktführer.

00:38:51: Das ist die vierte und letzte Folge.

00:38:53: Dynastie und Erbfeil.

00:38:55: Ein Hinweis zu den Dialogen, die du gehört hast.

00:38:57: Wir wissen natürlich nicht genau, was gesprochen wurde.

00:39:01: Alle Dialoge basieren nach Bestumwissen auf unseren Recherchen.

00:39:05: In der nächsten Staffel von Imperium öffnen wir ein fast bayerischer Wirtschaftsgeschichte.

00:39:10: Paulana.

00:39:11: Vom verbotenen Klosterbier des siebzehnten Jahrhunderts bis zu den legendären Weißbierduschen im Fußballstadion.

00:39:17: Vom Oktoberfest Original zum Spezi-Schwergewicht.

00:39:21: Wir erzählen die Geschichte einer Münchner Marke, die längst mehr ist als Bier.

00:39:25: Ein bayerisches Kulturgut, deutscher Pop-Mythos und ein globales Internet-Phänomen.

00:39:31: Folge Imperium jetzt in deiner Podcast-App, um die neue Staffel nicht zu verpassen.

00:39:36: Höre Imperium überall, wo es Podcasts gibt.

00:39:40: Ich bin Marc-Mann Puch

00:39:42: und ich bin Aline Staskowiak.

00:39:44: Für Studio J Producerin Helene Feldmayer und Alexander Hemsen.

00:39:49: Executive Producer Janis Gebhardt.

00:39:53: Tonassistenz Axinia Dorn.

00:39:56: Der Sounddesign hat Fanny Huda gemacht.

00:39:59: Gemischt von Fabian Klinke.

00:40:06: Wenn ihr euch nach Imperium für die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Abgründe des Nationalsozialismus interessiert, dann solltet ihr unbedingt in den Podcast Stalingrad und der Nationalsozialismus vom Primero-Verlag reinhören.

00:40:19: Horst Christoph Fromm und sein Team beleuchten dort die unterschiedlichsten Aspekte des Zweiten Weltkriegs.

00:40:24: Von philosophischen und literarischen Texten über prägende Persönlichkeiten, Kriegsverläufe und Entscheidungsschlachten bis hin zum Alltag der Soldaten an der Front und dem Leben der Zivilbevölkerung in der Heimat.

00:40:36: Jede Folge setzt einen neuen Schwerpunkt, keine gleich der anderen.

00:40:39: Seit über vier Jahren beschäftigt sich der Podcast intensiv mit den Ereignissen und Figuren des Nationalsozialismus und erreicht pro Folge rund viertausend Hörerinnen und Hörer.

00:40:49: Insgesamt mit über eineinhalb Millionen Followerinnen.

00:40:52: Stalingrad und der Nationalsozialismus.

00:40:55: Jeden Freitag eine neue Folge.

00:40:57: Überall, wo es Podcasts gibt.

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